Die Ovation Standard Balladeer 2771LX-CM Custom Shop Ltd.
Nach soviel geballter Expertenmeinung und Schilderung persönlicher Hasslieben zu dieser Gitarre
will ich, mit knapp einem Jahr Verspätung, auch diesen Thread mal kurz wieder aufleben lassen ...
Für mich, als ehemaliger "Gitarrenhero für Arme"
, war jede Ovation Mitte der 70er Jahre immer ein begehrenswertes, damals für mich allerdings kaum bezahlbares Traum-Objekt geblieben. Sie war teuer, robust und klang, nicht nur in meinen Ohren, so ganz anders. Nämlich viel, viel "frecher" und auffälliger als alles, was damals auf dem Akustik-Gitarren-Markt war. Sie klang irgendwie "rockig" und hatte was Unbezahlbares: nämlich richtig Flair und die uneingeschränkte Bewunderung pubertierender Mit-Gitarristen.
Außerdem war sie als eine der ersten ( als erste populäre Gitarre) mit einem recht brauchbaren Piezo Pickup, dem "OP", ausgerüstet. Sie war damit voll bühnentauglich ohne zusätzliche Mikrofonabnahme. Sicherlich war sie nix für abgehobene, klassische Akustik-Leute. Der Vergleich, etwa mit einer Martin hinkte von vornherein und war von den Ovation Leuten sicher auch so nicht beabsichtigt. Sie war ein Teil, das man lieben musste (oder eben nicht).
Im Laufe der Jahre, während meiner Karriere als Komponist und Musiker in einer ganz anderen musikalischen Stilrichtung, verlor ich sie dann etwas aus den Augen. Aber irgendwas war doch hängengeblieben, im alten Schädel: nämlich die Erinnerung an eine ganz besonderen Wunsch-Gitarre meiner Jugend. Im Jahr 2010 war es dann soweit. Bei Ebay hing seit vielen Tagen eine Ovation am überschaubaren Mindestgebot fest, die mir schon äußerlich unglaublich gefiel. Dazu hatte der Typ, der sie verkaufte, auch noch zwei Tipp-Fehler in seiner Anzeige gemacht, so dass sie kaum auf zu finden war.
Ich blieb dann bis zum Schluss der einzige Bieter und bekam sie nicht nur für einen sensationellen Preis sondern, darüber hinaus, auch noch frei Haus Berlin geliefert. Der Verkäufer, der Inhaber eines Zahnlabors, hatte sie voher offenbar nie von der Wand genommen und rein zufällig hier in der Stadt zu tun.
Ich bin ihm noch heute sehr dankbar für das Teil, das er hier angeschleppt hat.
Zur Gitarre selbst:
Die Ovation 2771LX-CM ltd. war eine im Jahr 2007 herausgebrachte und für den deutschen Markt auf 30 Stück limitierte Gitarre mit folgenden Spezifikationen:
Herstellungsland: USA (Ovation Custom Shop)
Hals: Ahorn mit Palisandergriffbrett
Halsform leichtes V (ähnlich der heutigen Martin HD28V)
Decke: Massive Sitka-Fichte
Korpus: Ovation Contur Bowl mit Cutaway
Sattel: synthetischer Knochen
Mechaniken: geschlossen
Steg: Palisander
Massiver Halsstab
Nachdem ich die Gitarre aus ihrem wunderschönen schwarzen und ausgiebig gepolsterten Koffer ausgepackt hatte, staunte ich. Sie war in natura noch viel ansprechender als auf den Fotos. Der Zustand war absolut makellos (so wie sie noch heute ist), sie hatte wunderschönes Binding und Schalloch, eingefasst mit "Tortoise Shell", einen schwarz-hochglanzpolierten Kopf, schwarzpolierte Mechaniken und eine AAA-Sitka Fichten Decke in der beeindruckenden Farbe Camel-Burst. Insgesamt also ein Ding, was schon vom Aussehen her "rockte", aber zugleich mächtig elegant rüberkam.
Die nächste Überraschung war dann der so oft kritisierte Glasfieber-Korpus, an dem sich sowieso alle Geister schieden. Er hatte in diesem Modelljahr eine neue Form bekommen, nämlich etwas voluminöser und zu gleich viel anschmiegsamer als die Korpusse (oder heißt es Korpi??? - mein kleines Latinum ist schon sooo lange her-
) der Vorgängermodelle. Endlich mal eine Ovation, die man nicht nur im Stehen sondern auch sitzend vernünftig spielen konnte. Insgesamt war die Gitarre perfekt balanciert und der Hals lag schon fast E-gitarrenmäßig in der verschwielten Hand.
Die dritte positive Überraschung war das erste Anspielen: nix mehr mit scheppernden, etwas zu metallischen Klängen, zu crispen Höhen, wenig Bässen. Die edle Sitka-Fichten-Decke der Gitarre resonierte wie der Teufel, kräftige Bässe inklusive. Die Höhen und Hochmitten waren zwar noch Ovation-mäßig vernehmbar, aber eben nicht zu scharf. Eher ausgewogen und dennoch Ovation. Edelovation, sozusagen.
Und dazu kam noch ein sagenhaft dynamisches Ansprechverhalten. Auch der Pickup klang ganz vernünftig, haute mich aber, weder damals noch heute vom Hocker. Erst, als ich die Gitarre über zwei gute Kondensator-Mikrofone abgenommen hatte, kam die ganze Bandbreite dieser tollen Kombination von Ovation Contour Bowl Body, schönem Ahorn Hals und Sitka-Fichte auch bei der Studio-Produktion auch musikalisch zum Tragen. Plötzlich lag sogar wieder der Vergleich zu einer Martin oder Taylor in Reichweite, und einige gestandene Gitarristen, mit denen ich hier zu tun hatte, staunten Bauklötze über dieses exotische Teil, als sie es spielten. Ich hab darüber hinaus auch keine einzige Gitarre hier, die so gut ihr Tuning über Stunden hält.
Bevor ich euch mit meinen euphorisierten und durch ein gutes Glas badischen Spätburgunders befeuerten Eindrücken der positiven Eigenschaften dieser Gitarre zu sehr langweile, hier zum Schluss noch zwei Zeugenaussagen aus "zeitgenössischen" Testberichten des Jahres Anno 2007:
Gitarre und Bass
"...Der Klang scheint (Anm. durch die neue Form des Korpus) deutlich zu gewinnen, die Bässe wirken kraftvoll, das ganze Sound-Spektrum strotzt vor Energie und Angriffslust, das ganze Instrument resoniert , schwingt deutlich... ich möchte fast sagen, diese Ovation klingt weniger Ovation-typisch als erwartet. Sie hat gleichermaßen das Zeug dazu, Ovation-Spieler zu begeistern und Skeptiker zu überzeugen..."
Guitar:
..."Die Standard Balladeer kann akustisch ohne jeder Abstriche überzeugen. Das Spielgefühl ist, dank der neuen Korpusform besonders komfortabel und der Klang ist im Vergleich zum Vorgänger erheblich natürlicher und präsenter geworden. Mit der Standard Balladeer aus der LX Serie erhält der Gitarrist (Anm. für damals knapp 1800,00 Euro) ein Instrument der Spitzenklasse zu einem angemessenen Preis..."
Wie wir heute alle wissen, hat auch die veränderte Ovation den zwischenzeitlichen Niedergang der Firma nicht aufhalten können. Heute wird unter dem Namen Ovation entweder massenhaft und ganz billig in Asien (400-800 Euro) oder viel zu teuer (3000-4500 Euro) und in minimalen Stückzahlen in Amiland produziert. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob die Company überhaupt noch in Gründerhand ist. Is mir auch egal. Ich hab ja meine.
Aber es gibt sie anscheinend doch noch. Saugut klingende Ovations. Und da es die Gitarre auch in schwarz und etwas mehr Stückzahlen gab, müsste sie noch irgendwo auch in Deutschland second Hand zu finden sein. Mein persönlicher Rat an den Ersteller dieses Threads: zuschlagen, Alter, wenn wieder mal eine inseriert wird. Die Ausführung Camel Burst als 2771LX habe dagegen bis heute nie wieder gesehen. Gut so. Ich liebe vermeintliche Einzelstücke
Ich bin jedenfalls froh, diese Occasion aus dem amerikanischen Ovation Custom-Shop noch zu besitzen und setze sie auch heute noch regelmäßig und mit viel Freude in meinem Studio ein.
Abendliche Grüße an alle Ovation-Freunde, Skeptiker und Hater
Sven