Van Weelden Royal Overdrive

Besprechungen von getestetem Gitarren-Equipment
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FretNoize
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Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von FretNoize » Samstag 22. August 2015, 00:23

Seit heute ist er da, und ich hab eben mal zwei Stunden rumgedudelt, auf ziemlicher Konzertlautstärke. Alles was ich also hier schreibe, ist noch mit Vorsicht zu geniessen, es ist der allererste Eindruck.

Ich hab ihn gebraucht gekauft, neu ist er sauteuer, 529€ steht auf der beiliegenden Rechnung, davon sind 33€ Versandkosten (Holland nach Österreich). Van Weelden, der Holländer, der mit Joe Bonamassa berühmt geworden ist, hat eigenen Angaben zufolge nur die besten Komponenten ausgesucht, ohne auf die Kosten zu achten. Ich will jetzt hier keine Diskussion anfachen, wer denn so bescheuert ist, 500€ für einen blöden Verzerrer auszugeben (ich!), noch dazu ohne es vorher auszutesten - ob es einem das wert ist, muß jeder selbst wissen. Oder eine fruchtlose Diskussion, ob sich jetzt Van Weelden mit Bonamassas Namen im Hintergrund reich macht. Keine Ahnung, was in dem Ding drin ist, und wie die Kosten für die Bauteile und Forschung und Entwicklung ist. Viele wird er davon nicht verkaufen können, dafür ist der Preis zu hoch, aber meiner hat immerhin die Seriennr. 126.

Der Verkäufer hatte mir schon am Telefon gesagt, daß es kein Overdrive für alle Zwecke ist, sondern hauptsächlich zum solieren. Die Youtube Videos, die ich gefunden habe, haben mir allesamt gut gefallen, was sehr selten der Fall ist. Gerade bei Leuten, die nicht so gut spielen und Aufnehmen können, sind mir die Videos mittlerweile lieber - denn bei den Proguitarshop Demos gefällt mir fast jedes Pedal.

Beim Auspacken fällt auf, das Ding ist groß, 22cm x 15cm, noch etwas mehr und er hätte eine eigene Postleitzahl. Nur wenig kleiner als der Amp1. Und schwer, 1,89 kg. Eine altmodische Leuchte signalisiert in blassrosa, ob das Ding an ist. Eine ein klein wenig unmotiviert positionierte kleinere LED zeigt den Mid Boost an. Außer groß und schwer ist das Ding ausserdem ziemlich hungrig. Bei 9V braucht das Ding sagenhafte 650 mA, man kann es auch mit 18V füttern, dann sinds 300 mA. Ich gehe davon aus, daß drinnen eine eigene stabile Stromversorgung ist, daher wohl auch das Gewicht.

In der beigelegten, zusammengehefteten Bedienungsanleitung wird besonders auf die Schalter Mode und Bright eingegangen. Sie dienen nicht der Tongestaltung, sondern der Anpassung auf den jeweiligen Amp und Pickup. Insgesamt 6 Positionen sind möglich.

Bei mir am Amp1 hab ich den Cleankanal eingestellt, und den Mode für "most Fender Amps, Plexi Marshalls, active or Humbucking Pickups" A2 gewählt.

Ein Zusatzschalter gibt nochmal +6dB für schwache PUs. Die Potis und die Knöpfe sind sehr wertig, und mir gefällt das altmodische Design sehr gut. Augen essen mit, wie so oft.

Aber wie klingt er? Mittig, mit sehr cremigen Tiefmitten. Mit meiner Edwards LP komme ich in die Bonamassa-Gefilde. Die schneidenden Frequenzen, die bei so vielen Verzerrern nach Plastik klingen, sind hier sehr stark gedämpft. Ich hab immer wieder zu meinem BB Preamp und dem Soulfood hin und hergeschaltet, die auf meinem Pedalboard fest verkabelt sind. Der Soulfood ist mein Solo-Verzerrer, er klingt saugut im Vintagekanal des Amp1. Aber wenn man hin und her schaltet zwischen dem nur ein Zehntel kostenden Soulfood und dem Royal Overdrive, da erkennt man sehr deutliche Unterschiede. Der Soulfood, der mir vorher so gut gefallen hat, wirkt auf einmal dünn und billig. Na gut, ist er ja auch. Ich hab im ersten Moment nicht soviele Unterschiede gehört, denn ich mußte mich auf die ziemlich andere Tonstruktur erst mal einschiessen. Aber nach fünf Minuten hab ich nur noch mal sozusagen gezwungenermassen zum Soulfood oder zum BB Preamp hin und hergeschaltet, um mich zu vergewissern, daß die Unterschiede tatsächlich so groß sind.

Auch leise Töne bekommen den RO-Stempel, manche Overdrives reagieren ja bei leisen Tönen mit dem Originalsignal und formen den Ton nur bei größeren Signalen. Jetzt muß ich das schreiben, was in jeder Pedalrezension steht: der RO ist sehr dynamisch und hängt perfekt am Lautstärkeregler. Ist hier aber mal wirklich wahr. Plötzlich wirken andere Verzerrer wie ein BB Preamp sehr flach (der Soulfood ist eh nicht dynamisch). Ich hoffe, daß sich dieser Eindruck noch widerlegt, sonst hab ich an meinen anderen Pedalen nicht mehr viel Spaß. Ist aber auch ein wenig unfair, diese einfach gestrickten Pedale mit dem RO zu vergleichen, es wäre fairer, es mit einem so dynamischen Pedal wie z.B. dem Weehbo Plexdrive zu vergleichen, allerdings geht der Klang in eine ganz andere Richtung, viel mittiger, kein Kratzen.

Ein dicker Nachteil, allerdings nicht für mich, ist daß beim Einschalten des RO der Ausgang kurz stummgeschaltet wird, so wie der Amp1 beim Kanalwechsel. Ich hab einen Looper, da ist es egal. Finde ich trotzdem sehr grenzwertig bei einem 500€ Verzerrer. Der Mid Boost ist nicht regelbar und legt lautstärkemäßig nur wenig obendrauf, aber erhöht das Gain etwas. Ich brauche ihn nicht. Das Ding ist nicht wirklich konsequent: Das Stummschalten bedeutet, das man das Ding in einen Looper einbinden sollte, aber der Mid Boost ist nicht von aussen steuerbar. Rackeinbau verbietet sich also, wenn man den Midboost verwenden will. Wäre eh schade, das Ding in einer Schublade zu verstecken. Ich find ihn schön, ist aber natürlich Geschmackssache.

Ich weiß noch nicht, wie sich der RO aufgrund der fehlenden Kratzhöhen in der Band durchsetzt, und ich weiß auch noch nicht, ob ich das Teil wegen Gewicht, Größe und Stromhunger tatsächlich auf mein Board montiere, aber ich bin bisher auf jeden Fall begeistert.

Getestet hab ich übrigens mit meiner Edwards LP mit Duncan Antiquities, in den Amp1 Clean über eine Bogner 112 closed back mit WGS Green Beret und eine offene Palmer mit V30, und das ganze in Mörderlautstärke, allerdings mal sanft gespielt, dann wieder mit Vollgas. Auch beim Halspickup kommt der RO nicht ins Stottern wegen zuviel Bass.

Ja, aber der Klang... das ist schon was besonderes. Ob meine Begeisterung anhält? Wieweit sie davon beeinflusst ist, daß das Ding eine ganze Menge Geld kostet und wertig wirkt? Mal sehen. Fast schade, das wir morgen Besuch aus Australien bekommen und ich mich nicht um den Zweiteindruck des RO kümmern kann. Oder um Aufnahmen. Oder ob man das Ding vielleicht doch auch als Rhythmusverzerrer verwenden kann. Und wie er mit der Strat klingt. Und vor meinem Shiva...

Jetzt aber gute Nacht!

PS: Wie teuer sind eigentlich diese Van Weelden-Amps?... :undwech:
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Diet
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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von Diet » Samstag 22. August 2015, 10:22

Moin,

klasse Review!
Ein wohl doch sehr spezielles Teil mit passend speziellem Preis :)

Gruß Diet

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tommy
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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von tommy » Samstag 22. August 2015, 11:05

Moin Holger,

danke für das ausführliche Review!
Ich hoffe, dass Du mit dem Teil auch weiterhin topp zufrieden sein wirst! Für mich käme ein so klobiger, schwerer und teurer Apparat echt nur in Frage, wenn ich voller Überzeugung alles bisherige Verzerrerzeug von Bord werfen könnte. Leider würde ich Stümper vermutlich einen dermaßenen Klangvorsprung aber gar nicht wahrnehmen können (Du weißt ja: Wenn der Trommler erst mal....). Ok, wir sind mit der Band nun auch nicht gerade feingeistig unterwegs.

Vielleicht habe ich aber auch überhaupt keine Ahnung davon, was so geht auf dem Sektor, weil mir die möglicherweise existierenden Grale bisher verwehrt geblieben sind. Insofern bin ich schon riesig gespannt, was so an "Profigerät" beim Treffen angeschleppt wird. Vielleicht bekomme ich ein völlig neues Bild. Schade, dass Du nicht kommst.
LG, Tommy


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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von Batz Benzer » Samstag 22. August 2015, 11:12

Holger,

Du hast es geschafft, dass hier bei mir gerade die YT-Videos laufen, damit ich mir einen akustischen Eindruck verschaffen kann; meine Primärassoziation nach den ersten beiden Sucherergebnissen ist komischerweise Santana...

Klasse finde ich, wie er bei stärkerem Anschlag aufblüht und die schmatzenden Obertonanteile plötzlich hinzu kommen... und zurückgenommen einen chiqen Chicago-Blueston zaubert: Nice! :mrgreen:

Ansonsten scheint an der Kiste ja alles royal zu sein: Größe, Gewicht, Ton, Preis... herzlichen Glückwunsch zum Neuerwerb und dauerhaften Spaß Euch beiden! :thumbsup03:

Lieben Gruß,

Batz.
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von Wizard » Samstag 22. August 2015, 11:15

Sehr interessantes Review :thumbsup03:

Würde es nicht Leute wie dich geben, kämen wir nicht in den Genuss, mal die "Meinung aus dem Volke" zu hören, sondern nur vom Vertreiber
oder Leuten wie dem guten Joe B.

Übrigens schrieb irgendwo im Netz jemand, der einen Van Weelden Amp suchte, er hätte nur einen gefunden - gebraucht für 7500 Dollar, vor über
fünf Jahren...

Bin sehr gespannt, wie dir der Overdrive im Bandkontext und mit anderen Gitarren gefällt.

Schönes WE an alle :smoke01:
Gruß Peter

immer noch aktuell: >>> leben und leben lassen <<<

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Magman
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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von Magman » Montag 24. August 2015, 22:25

Danke für das interessante Review Holger. Höchst selten liest man ja Reviews über solch teure Verzerrer! Nun ich dachte erst, den Van Weelden Royal Overdrive kennste nicht, aber als ich dann das Bild sah erinnerte ich mich an das Teil. Ein Kumpel hatte den mal zum Test ausgeliehen. Er meinte er klang auch ein wenig nach Dumble. Was meinst du?

Berichte mal wie er dir im Bandgefüge gefällt ;)
Bild
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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von Keef » Dienstag 25. August 2015, 10:21

Moin,

hab jetz von dir schon gelesen dass dir dein Sound live "fast" egal sei (weiss nit mehr genau wo) und dann dieser begeisterte Enthusiasmus im Review. :kopf_kratz01:
Wie kommts?

Ich freu mich für dich also nimms mir nit krumm - oder hab ich in einem anderen Faden was falsch verstanden?

Keef
"Ich kenne Sie irgendwoher..."
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:lol:

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FretNoize
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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von FretNoize » Dienstag 25. August 2015, 12:18

Ich nehm's Dir nicht krumm, freue mich, daß Du Dir meine wirren Äußerungen merkst ;) Ällerdings, Dein Avatar... wie soll ich sagen... verwirrt mich. Kaum zu glauben, daß der mal Come on Eileen geträllert hat.

Mein live sound, ja, da bin ich nicht so kritisch. Das Frequenzgefüge muß stimmen, der Sound muß Druck machen, aber ich kann z.B. durchaus (wegen Saitenriss) in der Mitte des Songs zwischen Strat und LP wechseln, ohne das mir was fehlt. Ich bin kein Bonamassa, die Leute kommen nicht, um mich zu hören, sondern um zu 85% mit dem Sänger mitzugrölen und zu 15% aufs Drumsolo zu warten. Es ist entscheidender, was ich spiele (Groove, Harmony), als wie der Sound ist. Geht raus, fragt eure Freundinnen oder Ehefrauen oder beide, die erkennen den Unterschied zwischen einer Tele und einer Bariton-LesPaul nur deswegen, weil wir Gitarristen ihnen das ganze jahrelang vorgebetet haben ;) Und ob der Sound zuviel Bass hat oder in den Höhen schneidet, ob der Greenback besser als der V30 ist - da erntet man nur ein Schulterzucken. Glaub mir, ich habs probiert ;)

Das hat gar nichts mit dem RO zu tun, den hab ich mir erstmal nur aus reiner Neugier zum zuhause-dudeln gekauft. Ich wollte wissen, ob es halt auch nur wieder so ein Verzerrer ist, oder ob es da mehr gibt. Und da es ihn so selten gibt, kann man ihn sicher auch wieder für ähnliches Geld verkaufen, wenn er einem denn nicht gefällt.

Augenblicklich gefällt er mir zwar sehr gut (hab allerdings wegen Besuch nicht viel spielen können), aber da ich zumindest den nächsten Gig am Samstag noch mit dem Axe-Fx spiele, hab ich ihn meiner Band noch nicht angetan. Das Axe-Fx hat live einfach sauviele Vorteile für mich, da ist die letzte Entscheidung noch nicht gefallen.
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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von FretNoize » Dienstag 25. August 2015, 12:20

Magman hat geschrieben:Dumble
Willkommen zurück aus dem Urlaub ;) Ich weiß nicht soviel über den Dumble-Sound. Komm einfach vorbei und spiel ihn an ;)
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Diet
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Re: Van Weelden Royal Overdrive

Beitrag von Diet » Dienstag 25. August 2015, 14:46

FretNoize hat geschrieben:Es ist entscheidender, was ich spiele (Groove, Harmony), als wie der Sound ist. Geht raus, fragt eure Freundinnen oder Ehefrauen oder beide, die erkennen den Unterschied zwischen einer Tele und einer Bariton-LesPaul nur deswegen, weil wir Gitarristen ihnen das ganze jahrelang vorgebetet haben ;) Und ob der Sound zuviel Bass hat oder in den Höhen schneidet, ob der Greenback besser als der V30 ist - da erntet man nur ein Schulterzucken. Glaub mir, ich habs probiert ;)
Hi,

da sind wir auf dem gleichen Trip!
Deshalb spiel ich z.B. meinen Zentera Combo in der Band und das auch live.
Ist viel praktischer als Röhre und Stressbrett.

Wenn ich doch mal aus Bock Röhre und Stressbrett in den Proberaum schleppe, dann klingt das klasse. Aber ich fang trotzdem an, hier und da noch von irgendwas zu wenig oder zu viel zu hören und dreh ständig an irgendwelchen Reglern rum.
In den Zentera klinke ich mich immer einfach ein und spiel und fühl mich wohl. Ist echt so! Ich frag mich oft warum :kopf_kratz01:
Vielleicht, weil ich dabei irgendwo unbewusst im Hinterkopf habe:
"Das ist ja "nur" ein Modeller, das kann sowieso nicht hundertprozentig klingen, also mach Dir keinen Stress." :D
Ich überliste mich da irgendwie selbst :boing02: , denn der Zentera klingt definitiv nicht "besser" als Röhre plus Stressbrett.

Und den Zuhörern, auch den Bandmitgliedern ists wurscht!

Gruß Diet

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