Komischer Vergleich: Fender 65 Deluxe Reverb vs. Twin Reverb

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Batz Benzer
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Komischer Vergleich: Fender 65 Deluxe Reverb vs. Twin Reverb

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 30. Oktober 2014, 14:57

Fender 65 Deluxe Reverb vs. 65 Twin Reverb

David gegen Goliath, ist das denn fair? – Ich meine, auch wenn beide Amps aus demselben Hause und der gleichen Blackface-Serie entstammen, ja sogar das Jahrskürzel „65“ tragen, darf man einen 20- und einen 85-Watt-Verstärker doch nicht miteinander vergleichen, oder?

Doch darf man, sollte man sogar, denn abseits der Leistung unterscheiden sich die beiden Probanden in erster Linie durch ihre Endstufenbestückung, und das kann man eben hören: Protzt der Twin Reverb mit zwei 6L6, hält der gute alte Deluxe Reverb mit zwei 6V6 dagegen. Und wie David und Goliath ausgegangen ist, ist ja wohl allgemein bekannt; also ran an den Klangspeck!

Doch zuvor kurz zu den Gemeinsamkeiten: Zwei parallel nutzbare Kanäle, einer ohne alles, der andere mit Hall und Tremolo, hier fälschlicherweise Vibrato genannt. Parallel bedeutet, dass man z.B. mit einer A/B-Box beide Kanäle alternativ ansteuern kann, was insofern Sinn ergibt als man so den „Normal“-Kanal für Zerrer jeglicher Couleur und den „Vibrato“-Channel für clean nutzen kann – sauflexible Sache, das!

Beide Kanäle haben jeweils Volume, Bass- und Höhenregler (Twin noch ein Poti für die Mitten), der Vibrato-Kanal kommt zusätzlich natürlich noch mit einem Reverb- sowie Geschwindigkeit und Tiefe für das Tremolo daher. Soweit zur Bedienpanele.

Entfesselt ergibt sich eine weitere Gemeinsamkeit: Beide rauschen je nach Reverb- und Temolo-Intensity umso stärker, uneffektiert sind sie extrem ruhig. Entwarnung für Bühnenmusiker: Der Level der Störgeräusche steigt nicht mit dem Volumen, ist also fix und im Live-Einsatz absolut unbedenklich. Daheim im stillen Kämmerlein kann es hingegen, je nach Stellung, schon nerven. Bei praxisdienlicher Einstellung des Halls hingegen gibt es auch hier nix zu meckern, das muss das Boot abkönnen; erst bei Tremolo-Einsatz kann einem das Meeresrauschen dann doch zu viel werden.

Apropos Tremolo: Beide laufen nicht 100%ig rund; der des Twins sogar derart, dass der Effekt für mich unbrauchbar wäre. Scheint aber Kalkül zu sein, denn wenn man sich die Tremolo-Simulation im Boss FDR-1 zu Gemüte führt, erlebt man ebenfalls dieses Klopfen, so als läge der Zenit der Bewegung außerhalb der lautesten Stelle. Das ist aber meines Erachtens nicht typisch für den jeweiligen Combo, sondern kann bei jedem Fender-Amp, dessen Tremolo nicht über Opto-Koppler läuft, mehr oder minder beobachtet werden.

So, jetzt zum guten Ton: Beide können sehr gut leise und klingen dabei relativ gleich, eben nach Fender Blackface in Reinkultur. Jedoch haben es jene Nuancen, um denen es uns Soundpuristen ja geht, in sich: Der Twin klingt souveräner, leise schon fast was zu steril, derweil der Deluxe schon mehr arbeiten muß. Und das kann man hören UND fühlen, die Interaktion ist beim Deluxe höher, was ein extrem musikalisches Gefühl vermittelt. Die Endstufe wird eben mehr gekitzelt, und ab ca. Volumestellung drei addieren sich fließend leichte Zerrfarben, ein herrliches Knurren entsteht.

Wer den Twin an eine ähnliche Grenze treiben mag, hat bald nix mehr davon, weil seine Ohren bluten und die Nachbarn ihn lynchen; der Bolide bleibt extrem lange clean und ist auf diese Weise auch zur Referenz geworden.Leise bedeutet dies, dass ihm der Headroom zwar gut steht, er agiert aber etwas zu entspannt und somit lebloser als der Deluxe.

Überdies tönen die 6V6-Röhren dichter in den oberen Mitten, außerdem beschert der Jensen-Speaker ihm einen direkteren Klang als das baugleiche Pärchen im Twin, der den Raum zwar besser flutet, dafür aber etwas indirekter ist.

Fazit: Wenn es zerren darf und soll, ist der Deluxe wirklich toll. Soll es clean und laut zugehen, ist der Twin nochmal so scheen. Das gilt für Live-Lautstärken; daheim sind beide clean, der eine (Twin) vielleicht etwas unterfordert, der Deluxe einen Hauch musikalischer. Also nix David gegen Goliath, eher Äpfel gegen Birnen; beide tönen nahezu gleich, haben aber im Einsatzbereich unterschiedliche Schwerpunkte. Somit möchte ich fast sagen: David UND Goliath, den einen fürs Heim, den anderen für draußen.

Gruß,

Batz. :smoke01:

PS: Diese Gegenüberstellung ist schon älteren Datums; am Ende hatte ich mich für den 65 Deluxe Reverb entschieden. ;)
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Re: Komischer Vergleich: Fender 65 Deluxe Reverb vs. Twin Re

Beitrag von telly45 » Donnerstag 30. Oktober 2014, 15:33

Batz, wenn ich dich richtig verstehe, kann man den DR live für clean schon fast nicht mehr brauchen? Oder ist er da gerade am musikalischsten Punkt, also so an der Grenze, wo er sich "einsuppt" :lol: - man verzeihe mir diesen geliehenen Ausdruck? Dies natürlich im Umfeld einer normal aufspielenden Blues-, Rock-, Popband, nicht bei der Streitaxttruppe.
Gruß Rainer

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Batz Benzer
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Re: Komischer Vergleich: Fender 65 Deluxe Reverb vs. Twin Re

Beitrag von Batz Benzer » Donnerstag 30. Oktober 2014, 15:58

Du hast mich richtig verstanden: Bandtauglich verlässt er den cleanen Bereich zugunsten des "knurrigen Schmutzes", natürlich abhängig von der Lautstärke der restlichen Baggage. Das kann genau der magische Punkt für Dich sein, ist aber a) von Dir und b) von besagter Lautstärke abhängig.

Lieben Gruß,

Batz. :smoke01:
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Re: Komischer Vergleich: Fender 65 Deluxe Reverb vs. Twin Re

Beitrag von telly45 » Donnerstag 30. Oktober 2014, 16:12

Danke, meine letzte Begegnung mit einem DR liegt schon lange zurück, und das in einem Musikladen, wo man jetzt die Lautstärkereserven auch nicht unbedingt auskosten konnte.
Gruß Rainer

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Re: Komischer Vergleich: Fender 65 Deluxe Reverb vs. Twin Re

Beitrag von Wizard » Donnerstag 30. Oktober 2014, 18:29

Ich hab meinen Twin Reverb jetzt seit fast 20 Jahren und der verrichtet trotz seiner 85W inzwischen eine gute Arbeit als cleaner
Amp zuhause, kein Problem. Im Bandkontext hat der sich von keinem Amp was die Durchsetzungs- und Ortungsfähigkeit betrifft schlagen lassen.
Marshall und Fender parallel gespielt war/ist seit jeher mein Konzept.

Klar, heute hätte ich lieber einen Deluxe Reverb, aber ich liebe meinen Twin. Ein wirklicher Bolide, der bei mir bleiben wird Bild
Gruß Peter

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