Fractalaudio FX-8

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FretNoize
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Fractalaudio FX-8

Beitrag von FretNoize » Freitag 19. Mai 2017, 15:01

Gestern abend ist mein Fractalaudio FX-8 angekommen, also Achtung: Honeymoon-Review. Allerdings kenn ich das Axe-Fx seit 2008, insofern ist es jetzt nicht so fremd wie z.B. ein neues Pedal. Es gibt viel Gutes und ein klein bisschen negatives.

Zuerst einmal war ich besorgt, daß die bis zu viermalige Wandlung des Signals eine Verschlechterung des Signals bewirkt. Der Bogner Goldfinger kann per Fußschalter die FX-Loop komplett ausschalten. In meinem jetzigen XXL-Pedalboard mit dem Boss ES-8 hört man eine deutliche Verschlechterung des Signals beim Einschalten des FX-Loops, obwohl gute Kabel und gute Pedale verwendet werden. Ich muß am Boss ES-8 +2dB nachregeln, damit dieselbe Lautstärke da ist, aber das Signal wird verwaschener. Noch haarsträubend schlimmer, wenn ich meinen Jamman-Looper einschalte, das Ding wandert als erstes zu ebay.

Ich hatte am Vorabend die sog. Humbuster-Kabel gelötet, eine besondere Art Kabel, mit der das FX-8 und seine großen Brüder Einstrahlungen erkennen und auslöschen können. Und ich war echt supererleichtert, als ich mehrfach zwischen FX-Loop an und aus hin-und hergeschaltet habe: Gar kein Unterschied. Nichts. Begeisternd!

Die Effekte und deren Klangqualität kenne ich schon vom Axe-Fx, aber ich hatte damals nicht so viel Zuneigung zu den Verzerrern. Das aber klappt hier ganz hervorragend, hatte gestern viel Freude mit dem Mid-Boost vor dem 2. Bognerkanal. Auch die Kompressoren bekomme ich dahin, was ich bisher mit dem Empress-Kompressor gemacht habe. Entweder mit Parallel-Kompression "sanftes" Sustain hinzusteuern, oder Pick-Sound-betonendes Jazz-Blubbern - alles drin und noch mehr.

Die Benutzeroberfläche ist unsexy. Wenn man es mit dem Line 6 Helix vergleicht - weia. Funktionell, aber so gar nicht hübsch. Wenn ich die Knöpfe meines Empress Kompressors drehe, das fühlt sich gut an - darauf muß man beim FX-8 verzichten können. Nicht, daß Schalter oder Potis von schlechter Qualität sind, aber die Potis z.B. des Empress Kompressors fühlen sich anders an als die Potis am Okko VIB und vermitteln dadurch eine Art Charakter - das gibts beim FX-8 natürlich nicht. Und das Display vermittelt 90er Jahre-Grossrechner Charme. Jeder der Fussschalter hat ein paar LEDs um sich herum, deren Sinn nicht direkt klar wird. Der MFC Fusscontroller aus dem gleichen Haus ist einfacher.

1200€ für ein Multieffekt? Bist Du bescheuert? Ja. Und Nein. Wenn ich meine drei Strymon's (Mobius, Timeline, BigSky, rund 500€ pro Pedal), den Empress Kompressor und EQ (jeweils 300), den Boss ES-8 (700€) zusammenrechne (und wir vergessen das Pedalboard, zwei dicke Stromversorger, all die George-L-Kabel), kostet das FX-8 nur die Hälfte. Mein t.c. Electronic Sentry (Noise Gate) und der Okko VIB Buffer hab ich vergessen, die könnten dann auch weg. Bin mal gespannt, was wieder an Geld ins Haus kommt, wenn ich das alles verkaufe. Oder worin ich es wieder investiere ;)

Mit dem Fx-8 bin ich im allgemeinen flexibler bei besserem Klang - mit Einschränkungen. Ich mag die Strymons, zumindest Timeline und BigSky. Das Mobius gefällt mir nicht so gut, es ist zu eingeschränkt. Die Strymon-Jungs hätten viel mehr Parameter einstellbar machen sollen. Das meiste, was diese Pedale können, habe ich auch im FX-8. Wen es interessiert, hier ist eine Effektliste der drei Fractalprodukte im Vergleich:
http://wiki.fractalaudio.com/axefx2/ind ... fects_list

Flexibel? Z.B. kann ich das Tremolo einsetzen lassen, sobald der Ton ausklingt, wie ich das mit meinem EHX-Superpulsar machen kann. Oder das Wah einschalten, sobald ich das Pedal auch nur bewege.

Und was ist jetzt Negativ? Vom Axe-Fx her kommend, habe ich es als selbstverständlich angesehen, daß das flexible Routing der Effekte auch im FX-8 möglich ist. Es gibt z.B. einen Delaysound im Axe-Fx, der nochmal durch ein Filter geroutet wird, das langsam auf- und zugeht. In einem alten Song von 2008 (damals hatte ich das Axe-Fx neu) hört man diesen Sound im Hintergrund: http://www.hhjh.de/mp3/Time%20has%20no%20meaning.mp3. Überrascht mußte ich dann gestern feststellen, daß man Effekte zwar parallel schalten kann, aber nicht den Wet-Anteil eines Effektes in einen anderen Effekt leiten kann.

Die Bedienung des Systems ist ein wenig mühselig, das können andere besser. Schön und schnell wäre ein zentraler Drehknopf gewesen, denn man auch drücken kann. Ich hatte erst nicht verstanden, daß die Anzeige nicht notwendigerweise ein Abbild der Effektkette darstellt, sondern frei mit Schaltfunktionen belegt werden kann.

Warum habe ich das FX-8 und nicht das AX-8 oder ein weiteres Axe-Fx gekauft? Ganz einfach, ich hatte bei Aufnahmen mit dem Axe-Fx immer das Problem, daß ich mit sovielen Amps herumgespielt habe, daß ich keinen richtig kennengelernt habe. Ich fand es schwierig, die verschiedenen Amps und Cabinetts zu mischen. Mittlerweile habe ich ein Händchen für meinen Bogner und die Isobox und wollte mich nicht in zuvielen Möglichkeiten verzetteln. Ein anderer Grund ist, daß mein Axe-Fx nicht den "Output2 Mod" hat, der es ermöglicht, ihn besser in eine FX-Loop einzuschleifen. Ich hatte bei meinen lang zurückliegenden Versuchen immer Störsignale.

Ich werde in Zukunft auch probieren, meine verbleibenden Gigs meiner Akustikband mit dem FX-8 zu bestreiten, das würde den Aufbau vereinfachen und bräuchte weniger Platz. Leider fehlt mir der dafür der Tone-Match-EQ das Axe-Fx, mit dem ich den Piezo meiner Takamine wie eine Mikrofonaufnahme klingen lassen kann. Also muß ich mit den EQs versuchen, diese Kurve nachzubauen. Schaumermal.

Irgendwann muß ich dann auch mal ein Kabel basteln, um die Kanäle meines Bogner schalten zu können. Leider hat der eine so merkwürdige Pinbelegung und 8-polige DIN-Buchse, das das ganze etwas schwieriger wird.
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Re: Fractalaudio FX-8

Beitrag von FretNoize » Samstag 20. Mai 2017, 10:47

Boah, bin ich happy mit dem Teil! Ich hab mir gestern und heute die Finger wundgespielt, muß jetzt etwas aufpassen, morgen abend haben wir einen Gig, und Santana auf der Akustikgitarre mit 11ern hat so seine Anforderungen...

Was ich besonders toll finde, sind die feinen Kompressoren und der immer bereite Looper. Ich bin beim Bogner ja eigentlich erklärter Fan des zweiten Kanals, aber ich hab jetzt die letzten zwei Tage nur den Cleankanal benutzt. In der neuesten Beta-Firmware des FX-8 sind zwei Modelle der optischen Kompressoren, ich vermute, einer davon basiert auf dem LA-2A, jedenfalls hab ich dieses superschöne Edel-Aufnahme-Gefühl beim Spielen, das ich von diesem Kompressor kenne.

Das Leben ist gut ;)
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Re: Fractalaudio FX-8

Beitrag von tommy » Samstag 20. Mai 2017, 11:12

Mein Holger,

danke für das umfangreiche Review!

Multieffekte sind zwar nichts für mich aber ich bin beeindruckt, wie konsequent Du Deinen Weg verfolgst. Keine halben Sachen.
Insofern ist es für mich interessant zu lesen, wie man auf professionelle Art das angestrebte Ziel verfolgen kann. Die beschriebenen Ergebnisse sind beeindruckend! Bei manchen hätte ich gar nicht gewusst, dass es sie überhaupt gibt (Störungserkennung, Looprouting etc.).
Ich bräuchte allerdings Jemanden, der das Gerät für mich bedient. Schön, dass Du affin bist und am Ende auch noch etwas Richtungsweisendes dabei heraus kommt! :thumbsup02:
Wie angedeutet, ich würde schon bei der Zielsetzung scheitern.

:prost:
LG, Tommy


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Re: Fractalaudio FX-8

Beitrag von telly45 » Samstag 20. Mai 2017, 11:28

tommy hat geschrieben:Mein Holger,

danke für das umfangreiche Review!

Multieffekte sind zwar nichts für mich aber ich bin beeindruckt, wie konsequent Du Deinen Weg verfolgst. Keine halben Sachen.
Insofern ist es für mich interessant zu lesen, wie man auf professionelle Art das angestrebte Ziel verfolgen kann. Die beschriebenen Ergebnisse sind beeindruckend! Bei manchen hätte ich gar nicht gewusst, dass es sie überhaupt gibt (Störungserkennung, Looprouting etc.).
Ich bräuchte allerdings Jemanden, der das Gerät für mich bedient. Schön, dass Du affin bist und am Ende auch noch etwas Richtungsweisendes dabei heraus kommt! :thumbsup02:
Wie angedeutet, ich würde schon bei der Zielsetzung scheitern.

:prost:
Dem schließe ich mich jetzt mal voll umfänglich an. Mir wäre es das alles viel zu kompliziert, aber ich finde es super, wenn jemand das ganze beherrscht und damit auch noch perfekte Ergebnisse erzielt. Ich bin eben eher der KISS-Mensch (keep it simple and stupid) :tuete01:
Gruß Rainer

Duke

Re: Fractalaudio FX-8

Beitrag von Duke » Sonntag 21. Mai 2017, 20:54

FretNoize hat geschrieben:Boah, bin ich happy mit dem Teil!
...
Das Leben ist gut ;)
Schön, kenn ich gut.

Bin mit dem AX8 auch schon lange sehr glücklich.
Hatte kurz das FX8 zum Test. Wollte es eigentlich auch zusätzlich als Fußschalter für mein damaliges Axe nutzen.

Bin letztlich beim AX8 gelandet, das ich nie Kanäle schalten muss und die Effekte i. d. R. vor dem Amp nutze. Das Axe II konnte danach gehen. ;-)

Finde die Bedienung übrigens mittlerweile recht einfach, auch ohne Editor. Zu den neuen Compressoren bin ich noch gar nicht gekommen...

Nutze es gerade kaum noch zum Aufnehmen, da ich mich mit dem UAD-Krams bestens versorgt fühle.

Das Karussell dreht sich halt immer weiter... :kopf_kratz01: :D

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