Grossmann SG (Silent Guitar)-Box

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FretNoize
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Grossmann SG (Silent Guitar)-Box

Beitrag von FretNoize » Donnerstag 23. Oktober 2014, 09:10

Salü,

ich bin seit August glücklicher Besitzer einer Grossmann SG-Box. SG-Box heißt "silent guitar" und ist ein Iso-Cab, also eine schallgedämpfte Box, in die ein 12" Lautsprecher und zwei Mikrofone passen. Ich hatte das Review davon in der G&B oder gitarre gelesen, und nachdem ich gemerkt habe, wieviel Schall von meiner 2x12 über den Dachboden bei meiner Nachbarin ankommt, hab ich das Ding bestellt. In den drei Wochen Wartezeit habe ich dann immer wieder ein wenig gezweifelt, ob ich denn das Geld nicht umsonst ausgegeben habe. Schließlich habe ich ja das Axe-Fx II, und was da rauskommt, ist schon erstens absolut amtlich, und zweitens sehr viel einfacher aufzunehmen.

Beim Auspacken der SG-Box war ich sehr beeindruckt von der Qualität des Ganzen. Alles fühlt sich stabil und wertig an. Da ich ein eher helles Zimmer habe, habe ich die Box in weiß bestellt, und sie sieht jetzt so ein wenig aus wie ein Apple-Produkt für Gitarrenfans. Ich hatte die Box mit einem Celestion Classic Lead bestellt, den ich mir quasi via youtube ausgesucht habe. In der Box gibt es noch Gummifüße, auf denen die Box frei schwingen kann. D.h. wenn man sie anstößt, wobbelt sie ein bisschen hin und her. Sowas hätte ich gerne für meine 2x12.

Also dann, ein nagelneues E906 und ein SM57, mit dem ich vorher nie richtig happy war, aus der Schublade genommen, problemfrei und ohne Werkzeug in die Mikrofonständer geschraubt. Die beiden Mikrofone an meine Apollo-Soundkarte eingestöpselt, am Linnemann JTM45 den Standby-Schalter umgelegt und los gings.

Ich hab beide Mikros auf den Rand von Kalotte und Sicke gerichtet und erstmal nur ganz grob in der Höhe ausgerichtet. Aber schon als ich nur das Rauschen vom Amp gehört habe, gab's Phasenprobleme, also nochmal den schweren Deckel ab, jepp, ich hatte die Mikros rund 4cm unterschiedlich hoch. Das hab ich dann nivelliert, Deckel wieder drauf, Gitarre, Plektrum glitzert in der Sonne... Und dann hat sich das schon so mächtig gut angehört, daß ich die Mikros gar nicht mehr groß verändert habe.

Ganz erstaunlich, wie sehr die Box abdämpft. Ich kann den JTM zum erstenmal aufdrehen, beide Volumes auf 4 klingt ok. Ich mag den JTM nicht so gern wenn er wirklich hörbar verzerrt, aber die Sättigung will ich, und der Lautsprecher muß sich bewegen. Drinnen tobt das Inferno, draussen hört man nur sehr wenig.

Der Box liegen Diagramme bei, damit man eine evtl. Boxiness mindern kann, abdämpfen bei 130 Hz und zuschustern bei 600 Hz steht dort. Fand ich jetzt aber nicht, daß das ganze boxy klingt (wie sagt man das eigentlich auf deutsch? Schachtelig? ;-) ). Ich hab das zwar mal eingestellt, aber versehentlich ohne die Plugins aufgenommen - da hör ich jetzt mal keine Boxiness. Die Klangdemo für das Alter Ego ist damit aufgenommen (https://soundcloud.com/holger-h-hansen/alter-ego), urteilt selbst. Allerdings hab ich dort eine ganze Menge am EQ rumgespielt, um die Alter-Ego-Spuren ein wenig voneinander zu trennen.

Nebenbei habe ich gemerkt, daß Effekte nun anders klingen, weil das Schrille im Klang fehlt. Sogar den furchtbaren Montreux Knebworth II (sauteuer und sch..sse) bekomme ich dadurch halbwegs gut klingend. Der BB Preamp, den ich schon immer gut fand, ist jetzt vor der Box of Rock richtig geil.

Witzig auch, daß die Anzeigen der Kanäle mit SM57 und E906 anders schwingen, d.h. manchmal gehen die Anzeigen synchron, dann wieder ist eine höher als die andere. Meine Versuche, ein Mikro nach rechts, das andere nach links zu ziehen, waren jetzt nicht so erfolgreich, es wirkt wie ein Monosignal mit instabiler Basis. Aber gut, daß hängt jetzt wohl nicht mit der Box zusammen, sondern mit Mikrofonierung allgemein.

Das SM57, daß ich vorher so furchtbar an der 2x12 fand (die für sich sehr gut klingt), hört sich viel besser an, einfach durch die höhere Lautstärke. Klar, das ist Allgemeinwissen, aber ich hatte noch nie die Möglichkeit, das wirklich auszuprobieren, oder besser: aufgrund der Lautstärke auch nicht wirklich Lust dazu. Bei mir im Raum schwingt dann alles mit, und es hört sich furchtbar an. Ich finde zwar nach wie vor das E906 schöner, aber die Britzeligkeit des SM57 ist weg.

Nach einigen Stunden spielen fing etwas in der Box an mitzuschwingen. Die drei Schrauben, die den Lautsprecher halten (das ist ein Quickrelease, nennt sich FRESCO, um schnell Lautsprecher wechseln zu können), hatten sich gelockert. Die Schrauben kann man ohne Werkzeug anziehen, und seitdem ist wieder Stille.

Die Box kostete mich 599€ plus 30€für den zweiten Mikrofonhalter, 109€ für den Classic Lead und 20€ Versand. Klar ist das eine Stange Geld, aber die Haptik, Optik und der Sound lassen mich damit absolut keine Probleme haben.

Und das mit dem "Axe-Fx II einfacher aufnehmen" stimmt jetzt auch nicht mehr, ich hab ja die Mikros fest an meine Apollo angeschlossen, ich muß nur ein Kabel von meinem Gesangmikro abziehen und an den Anschluß an die Box anbringen.

Noch ein Nebeneffekt: Mit der UAD Apollo-Soundkarte gibt es eine Mic-Preamp Simulation eines alten 610 PreAmps, bei der man unter anderem eine Umschaltung der Eingangsimpedanz von 2 kOhm auf 500 Ohm machen kann. Ich hab bisher nicht wirklich austesten können, was die Umschaltung der Impedanz macht, weil ich immer den Direktschall höre. Mit der Box hab ich das nun zum ersten mal erfahren / erhören können.

Also, ihr seht, ich bin glücklich damit. Klar, ich bin noch in der Equipment-Honeymoon-Phase, aber das Aufnehmen mit einem richtigen Lautsprecher fühlt sich (und riecht sich) authentischer an als über's Axe-Fx. Ob man das am Klang dann hört, glaube ich nicht - dafür müßte man vermutlich eine richtige Box in einem gutklingenden Studioraum aufnehmen, damit das ganze räumlicher klingt.

Bis hierhin war das mein Honeymoon-Review, d.h. ein paar Tage nach Erwerb der Box geschrieben. Nach nun 3 Monaten mit dem Ding bin ich immer noch so glücklich wie am ersten Tag. Ich hab den Lautsprecher gegen einen Vintage 30 getauscht, der einfach meinem Soundempfinden eher entspricht, und wenn ich aufnehmen will, muß ich nur das Lautsprecherkabel von der 2x12 umstecken auf die SG-Box. Perfekt!
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FretNoize
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Re: Grossmann SG (Silent Guitar)-Box

Beitrag von FretNoize » Donnerstag 23. Oktober 2014, 09:12

Ah, Soundfiles vergessen:
SM57, ohne jeden EQ, Strat direkt in dem Amp, einmal Bridge, dann Neck (nackiger gehts glaub ich nicht mehr):
http://www.hhjh.de/mp3/SG/SG_SM57_NoEq.mp3

Dasselbe mit den von Grossmann empfohlenen EQ-Einstellungen:
http://www.hhjh.de/mp3/SG/SG_SM57_MitEq.mp3

Und hier was zusammengebasteltes, lediglich der empfohlene EQ (auf jedem Track) und ein Chorus im Mix sowie BB PreAmp, Strymon BlueSky und Alter Ego vor dem Amp, sonst nüx:
http://www.hhjh.de/mp3/SG/SG_Komplett.mp3

Hier ganz ohne Eq, nur der Chorus:
http://www.hhjh.de/mp3/SG/SG_Komplett_NoEq.mp3

Beide Spuren sind jeweils eine Mischung aus SM57 und E906.
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Re: Grossmann SG (Silent Guitar)-Box

Beitrag von Diet » Freitag 24. Oktober 2014, 15:13

Hi,

sehr interessant, klasse! :thumbsup03:

Danke!

Hab die Soundfiles gehört und finde nichts "schachtelig".
Beim ersten mit der Strat finde ich den unbehandelten Sound sogar schöner, etwas voller und wärmer.
Ich finde, das klingt alles amtlich!

Gruß Diet

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NoiseZone
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Re: Grossmann SG (Silent Guitar)-Box

Beitrag von NoiseZone » Freitag 24. Oktober 2014, 15:20

Habe die Grossmann auch schon lange.
Die beste Isobox überhaupt !

:thumbsup03:

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Re: Grossmann SG (Silent Guitar)-Box

Beitrag von FretNoize » Dienstag 22. Dezember 2015, 11:41

Langzeit-Review - ich hab die Box ja jetzt deutlich über ein Jahr.

Alle meine Aufnahmen mache ich mittlerweile damit. Ob wie oben mit dem JTM, oder mit dem Shiva, oder meiner neuesten Anschaffung, dem Egnater Tweaker, alles ist direkt ohne großen EQ verwendbar. Das Axe-Fx steht meistens im Proberaum, mir macht das Aufnehmen mit echten Amps einfach mehr Spaß und führt - für mich - schneller zu besseren Ergebnissen.

Der Classic Lead hat sich gut gehalten. Ich hab ihn mal kurz gegen einen V30 ausgetauscht und 10min später wieder mit Schaudern zurückgetauscht. Das muß jetzt nicht gegen den V30 an sich sprechen, aber mit meinen Standard-Mikropositionen, die mit dem Classic so fein funktionieren, klingt der V30 einfach furchtbar kratzig.

Ein WGS Green Beret gefiel mir auch ganz gut darin, aber der werkelt jetzt fest in meiner Bogner Box, das ist mir zuviel Aufwand, den da rauszuhämmern und zu -löten.

Die Grossmann-Box sieht toll aus, funktioniert hervorragend, und am wichtigsten, klingt saugut. Den oben beschriebenen empfohlenen EQ hab ich nirgendwo eingesetzt. In meinem letzten Machwerk, White MG, sind alle Gitarrenspuren über die Grossmannbox aufgenommen, und im allgemeinen nur mit Lo-Cut versehen. Ob Clean oder Highgain, alles funzt. Und Überlegungen, ob ein 88W Tweaker nicht etwas zu mächtig für einen Studioamp sind, hab ich erst gar nicht.

Ich hatte mir ja einen Rivera Rockcrusher Recording gekauft, damit ich evtl noch ein DI-Signal abgreifen kann. Aber die Ergebnisse sind, wenn man nicht genau aufpasst, etwas speziell und unnatürlich (besser, wenn man den Klang ohne EQ abgreift und dann eine Impulse Response dahinter hängt.) Bei der Grossmann-Box ist alles natürlich. Es sind immer noch das E906 und SM57, die funktionieren für meine Musik absolut hervorragend. Die beiden Mikros werden fast immer gemischt, d.h. ich nehme ganz selten nur eines davon. Irgendwas entsteht in der Summe, das den Klang etwas anreichert. Jede Aufnahme geht ausserdem durch eine UAD Neve und Studer800 Simulation.

Ich will sie nicht mehr missen.

Alle Gitarren sind - ich glaube mit der Ausnahme einer Bratgitarre, die durch den Rockcrusher in eine IR ging - aus der Grossmann-Box:

[youtube]http://youtu.be/5Z22mdVXMa0[/youtube]
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Blues-Verne

Re: Grossmann SG (Silent Guitar)-Box

Beitrag von Blues-Verne » Freitag 5. Februar 2016, 17:43

Hab grad dein Video genossen - klasse! Bin echt beeindruckt, auch von der Arbeit, die du da reingesteckt hast.

Ich würd da nur das Keyboard-Hall-Gewabere etwas im Pegel runterziehen.

Thanx, anyway.

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