Spielgefühl vs. Klang

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Batz Benzer
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Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von Batz Benzer » Mittwoch 16. September 2015, 15:53

Gemeinde,

häufiger bereits haben wir uns interessanten Sound-Fragen gewidmet und so dem Verständnis fürs Hobby maximal angenähert. Wir haben Blind-Tests durchgeführt und feststellen müssen, dass alles angelesene Wissen am Ende in der Praxis beileibe nicht so viel zählt wie ursprünglich mal gedacht.

In diesem Sinne ist das, worauf ich hier hinaus will, auch nix bahnbrechend Neues für die meisten von uns, und dennoch mag ich mal schriftlich festhalten, was ich die Tage mal wieder erleben durfte:

Derzeit besitze ich drei Humbucker-Gitarren - eine SG und zwei Paulas - sowie eine Paula mit P-90 und die Panthera mit P-94, macht insgesamt fünf Brat-Gitarren. Das sind mir theoretisch ein bis zwei Gitarren zu viel; ich möchte lieber optimieren und mich auf Kerninstrumente beschränken.

Also kam als nächstes die Kennenlern-Phase: Alle fünf Pfannen intensiv befeuert und immer wieder wild gewechselt, so dass ich ein Gefühl für die fünf Freunde kriege.... HA, da war der richtige Ausdruck auch schon: Ein Gefühl dafür zu kriegen...

Dieses Spielgefühl, welches mir die Gitarre vermittelt, ist nämlich nach all der Testerei wesentlich aufdringlicher als der Klang; darauf wollte ich hinaus! - Tatsächlich verwechsele ich sogar Spielgefühl und Klang miteinander: Das Spielgefühl bestimmt die Art und Weise, wie ich den Klang wahrnehme, und zwar eindeutig und nachhaltig.

Nehme ich die Instrumente auf und lasse mir die Ergebisse per Zufall wiedergeben... bin ich verloren im weiten Tal der Möglichkeiten: Was ist denn hier welches, und wo ist das Anschlags-Klicken der P-90-Paula plötzlich hin...?

Nun, das Klicken war mechanischer und damit akustischer Natur; elektrisch wird es ebenso wenig gewandelt wie das federnde Spielgefühl dieser Gitarre. Äh, moment mal... kann man all das, was mir am Instrument wichtig ist, wirklich nicht hören?

Jedenfalls nicht unmittelbar; allerdings lassen mich die unterschiedlichen Instrumente auch unterschiedlich spielen: Mal ist es mehr Kampf, mal weniger, mal inspirieren die haptischen und rein akustischen Eigenschaften auch mein Spiel derart, dass ein "Besser" oder "Schlechter" tatsächlich auszumachen ist. Das ist dann aber bereits meine Reaktion auf andere Eigenschaften als den elektrisch gewandelten Klang.

Was ich unterm Strich sagen möchte: Die eigentlichen klanglichen Unterschiede ähnlicher Instrumente sind meist zu vernachlässigen; die Frage, wie wir uns mit ihnen fühlen ist viel wichtiger, weil sie die Art, wie wir die Gitarre erleben und folglich nutzen, stärker beeinflusst als das reine Klangbild!

Zumindest was meine Person anbelangt: Die meisten Unterschiede fühle ich, ich höre sie nicht. So ändert ein neuer Pickup z.B. weniger die eigentliche Klangausbeute als vielmehr mein Spielgefühl und mein Bild vom Instrument. Und das kann man dann natürlich schon hören - es hat nur einen anderen Grund, nämlich mein Spielgefühl, geht also einen anderen Weg als man allgemein so annehmen würde.

Erlebt Ihr das auch so, oder vielleicht genau anders herum? - Ich würde mich freuen, ein wenig über die Thematik zu plaudern: Lasst mich also bitte wissen, wie Ihr das seht, erlebt und bewertet.

Lieben Gruß,

Batz. :smoke01:

PS: Das Problem, welches ich mit dem Test zu lösen trachtete, habe ich natürlich nur weiter vertieft: Welche(s) Instrument(e) wird/werden gehen müssen...? :mad01: :rofl:
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

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telly45
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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von telly45 » Mittwoch 16. September 2015, 16:14

Batz, sehr schön beschrieben wie immer :thumbsup03: .

Mir ist ebenfalls wichtig, dass ich mich mit einem Instrument wohlfühle, und da spielen viele Aspekte zusammen. Hals, Haptik, Optik, Anschmiegsamkeit, wie reagiert die Gitarre auf mein Spiel, kann ich damit das transportieren, was ich spielen will? All das kann bei völlig unterschiedlichen Instrumenten vom Gefühl her gleich sein und bei sehr nah miteinander verwandten Klampfen total verschieden.

So sind meine Lieblingsfühlgitarren die neue Blade Strat und die modifizierte PRS Zach Myers. Total unterschiedliche Bauformen, Mensuren und Halsprofile sowie einmal P90 und andererseits klassisch SC. Dennoch fühle ich mich auf beiden gleichermaßen wohl im Sinne der genannten Kriterien. Daher denke ich auch gerade intensiv über eine Reduzierung auf das wesentliche nach, da meine anderen Gitarren für sich betrachtet sehr gute Instrumente sind, aber nicht das notwendige Gefühl mitgeben.
Gruß Rainer

SilviaGold

Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von SilviaGold » Mittwoch 16. September 2015, 16:57

Micky ...siehe meine Signatur :mrgreen: Also für mich steht beim MusikMACHEN - das Gefühl im Vordergrund.

Das schaffe ich dann am Besten wenn ich mit meinem gewohntem Instrument und Gewohntem Equipment spielen kann...
womit ich mich gut und oft zuhause fühlen konnte.

Daann sollen die technischen Aspekte wie: Gurt ist zulang, Wackelkontakt im Kabel, neues Equipment nicht mehr mein "Spielen" stören.
Damit genau bin ich bestenfalls angeregt doch auch gleichzeitig entspannt, beim vertönen meiner Gefühle in Schwingungen. :)

Das habe ich auch gestern wieder bei Anhören alter eigener Songs gemerkt. Für mich geht und ging es immer besonders darum: mit Musik Gefühle rüberzubringen. Das ist - was viel mehr bewegt als der optimalste Sound... das ist - auch dann das was bei anderen Leuten ankommt.

Der Klang/ Sound/ Musik bleibt deshalb das Medium, obwohl natürlich DAS geliebte Medium Nr.1 aller Musiker.
Wenn keine Gefühle angesprochen weren - siehts mau aus.

Das kann natürlich dann aber für den einen mit einem Megafuzzklang genauso gut funktionieren wie mit einem harmonischen Akustikgitarrenvierklang. Tja und nun doch sogar auch besonders dann, wenn ich mal, durch neues Equipment aus der eigenen Komfortzone raus muss, miir sich aber grade dadurch, doch neue spieltechnische Herangehensweisen und Soundmöglichkeiten eröffnen.
SO what :lol: SOund ist wichtig.

Ich denke die Spezie Mensch, also auch alle Musiker lernen eben durch Wahrnehmung aller Unterschiede. Das hört nie auf - glücklicherweise.

Habe ja jetzt grade die 12-Saitige Akkustik einen lieben Forumskollegen hier zum testen... und mache meine Erfahrungen.
Das Gefühl sagt mir jenes der Klang sagt mir welches - es bleibt aber die Gesamtheit der Eindrücke die ich abwiegen muss.

LG Andrea

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Magman
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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von Magman » Mittwoch 16. September 2015, 17:41

Micky das ist das worauf ich selbst am meisten wert lege, das Gefühl was einem ein Instrument gibt um Töne zu machen. Und je mehr ich fühle um so mehr Freude macht es mir. Das herauszufinden bedarf allerdings schon ein wenig Erfahrung. Das muss noch nicht mal etwas mit Perfektionismus zu tun haben. Ich hatte Gitarren die so perfekt waren, mir aber null Response gegeben haben. Ich habe nichts gefühlt beim Spielen. Damit wäre ich nicht lange glücklich gewesen. Ich selbst brauche Gitarren auf denen ich ein wenig kämpfen muss um mich auszudrücken. Ich mache derzeit gerade ein großes Shootout in Sachen Vintage Strat. Ich möchte gerne ein Strat die mir ebensoviel gibt wie meine NP Thinline Telli. Ich bin auf guten Wegen, aber es wird wehtun , sehr wehtun :roll:
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STOMPIN' HEAT …we are ready to rock :mosh:

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Diet
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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von Diet » Mittwoch 16. September 2015, 18:22

Batz Benzer hat geschrieben:Gemeinde,

Was ich unterm Strich sagen möchte: Die eigentlichen klanglichen Unterschiede ähnlicher Instrumente sind meist zu vernachlässigen; die Frage, wie wir uns mit ihnen fühlen ist viel wichtiger, weil sie die Art, wie wir die Gitarre erleben und folglich nutzen, stärker beeinflusst als das reine Klangbild!



Lieben Gruß,

Batz. :smoke01:
Hi Batz,

ich sehe und "fühle" das auch so.
Den Satz oben hab ich stehen gelassen, weil der für mich alles sagt. (Ich würde da sogar fast noch das Wort "ähnlicher" streichen)

Deshalb hat man Lieblingsinstrumente, glaube ich.
Es passt eben am besten mit dieser einen Gitarre... man fühlt sich einfach wohl damit.
Und das Lustige daran: Man weiß vielleicht noch gar nicht mal wirklich genau, warum es so ist.
Man kann das gar nicht genau benennen. Jedenfalls geht mir das mit meiner Favoritin so. Ich hab andere Gitarren, die sind ganz klar nicht schlechter.
Aber keine andere gibt mir diesen "Wohlfühlfaktor".

Es gibt da bei mir aber noch einen merkwürdigen Unterschied. Ich kann da zwei klare Lieblingsgitarren nennen und das schon seit Jahren
konstant. Eine für Band, Probe, Live, also für das "wahre" Leben und eine fürs Aufnehmen/homerecorden, insbesondere mit digitalem Equipment.
In der realen Band ist das meine ES. Beim Aufnehmen fühle ich mich dagegen komischerweise mit meiner 60´s Tele wohler.
Da greif ich mir am Ende immer die, und ich weiß auch da nicht genau, warum eigentlich. Es passt einfach besser.
Es kommt also wohl auch auf die Situation und das drumherum an.

Gruß Diet

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tommy
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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von tommy » Mittwoch 16. September 2015, 19:08

...ich stelle mal ganz ketzerisch folgende These auf:

Die meisten Musiker streben eine Art von persönlichen Referenzsound an. Mein Strat Sound...mein LP Sound...mein Tele Sound...mein Semi Sound etc..
Diesen selbst vorgegebenen Sound versuchen wir unbewusst zu erreichen. Die beste Gitarre ihrer Art ist jene, die am leichtesten dem Ideal nahe kommt.
Sollte man eine Gitarre in der Hand halten, die sich schwerer tut, muss man sich halt mehr anstrengen. Sofern man nun nicht die totale Gurke nimmt, erreicht man letztlich mal mit weniger, mal mit mehr Anstrengung sein Ziel.
Das Ergebnis: Immer der weitestgehend gleiche Sound (das von Micky erlebte Phänomen) und die daraus resultierende Wahl der Lieblingsgitarre.
LG, Tommy


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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von DocBrown » Mittwoch 16. September 2015, 22:00

Schöner Beitrag und gut auf den Punkt gebracht...

Das von dir beschriebene Gefühl beim Spielen ist mit ein Grund dafür, warum ich im Gitarrenladen oft "stundenlang" diverse Klampfen trocken spielen kann und das auch erheblich länger tue, als verstärkt.
Wenn sich die Gitarre nicht "richtig" unter meinen Fingern anfühlt, schafft sie oftmals gar nicht erst den Weg ans Kabel.
Wenn ich aber das Gefühl habe bereits ohen Amp alles in die Gitarre reingeben zu können, was ich will und sich alles unter den Fingern gut anfühlt, ist der Test am Amp eigentlich nur noch eine Formsache.
Die Gitarre müsste dann schon ein fundamentaler Totalausfall sein, um für mich nicht zu "funktionieren".

Einen bemerkenswerten Aspekt finde ich dabei, dass sich für mich gut eingespielte oder alte Gitarren immer besser anfühlen als neue. Selbst dann, wenn sie nicht von mir eingespielt worden sind.
Das Erlebnis hatte ich heute erst wieder....

Dazu später noch mehr in einem anderen Trhead...
:mrgreen:

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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von bluesation » Mittwoch 16. September 2015, 22:35

Ich stelle das mal vom Kopf auf die Füße (oder auch gerne anders rum) und sage "Ohne Klang kein Spielgefühl!" Also nicht "Spielgefühl vs. Klang" sondern "Kein Spielgefühl ohne Klang". Konkret. Ich habe hier 2 Dean Gitarren mit einem schmalen, kompakten Hals, die eine mit einem leichten V. Da ich sehr kurze Finger habe ideal für mich. Würde ich mir einen Hals schnitzen lassen, wäre es eine Mischung aus den beiden. Die 3. Dean spielt sich wie von selbst, Pulloffs, Hammeron, Tapping, die Töne kommen fast von alleine aus der Gitarre. Dennoch ist der Spielzeitanteil dieser Gitarren vergleichsweise gering, weil deren Klang (P90 und HB) mir schnell langweilig wird. 15 Jahre habe ich fast ausschließlich Strat gespielt, die letzten Jahre mehr Tele. Obwohl ich den Tele Hals zu Anfang nicht mochte, da mir 43mm Sattelbreite und C Profil eigentlich nicht liegen.
Gruß Tom

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guitman
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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von guitman » Mittwoch 30. September 2015, 13:32

tommy hat geschrieben:...ich stelle mal ganz ketzerisch folgende These auf:

Die meisten Musiker streben eine Art von persönlichen Referenzsound an. Mein Strat Sound...mein LP Sound...mein Tele Sound...mein Semi Sound etc..
Diesen selbst vorgegebenen Sound versuchen wir unbewusst zu erreichen. Die beste Gitarre ihrer Art ist jene, die am leichtesten dem Ideal nahe kommt.
Sollte man eine Gitarre in der Hand halten, die sich schwerer tut, muss man sich halt mehr anstrengen. Sofern man nun nicht die totale Gurke nimmt, erreicht man letztlich mal mit weniger, mal mit mehr Anstrengung sein Ziel.
Das Ergebnis: Immer der weitestgehend gleiche Sound (das von Micky erlebte Phänomen) und die daraus resultierende Wahl der Lieblingsgitarre.
Ich finde diese These gar nicht ketzerisch, sondern recht treffend.
Wobei ich allerdings auch Spaß dran habe, mich von den positiven Eigenschaften einer Gitarre im Spiel beeinflussen zu lassen. Auf der alten Junior spiele ich anders als auf der R8 oder ES. Da staune ich selbst, was ich alles so spiele :lol:

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Wizard
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Re: Spielgefühl vs. Klang

Beitrag von Wizard » Mittwoch 30. September 2015, 20:15

tommy hat geschrieben:
Die meisten Musiker streben eine Art von persönlichen Referenzsound an. Mein Strat Sound...mein LP Sound...mein Tele Sound...mein Semi Sound etc..
Diesen selbst vorgegebenen Sound versuchen wir unbewusst zu erreichen.
Dem ist - aus meiner Sicht - absolut zuzustimmen. Der jeweilige Referenzsound lebt schon seit sehr langer Zeit in mir :shock: :mrgreen: :thumbsup03:
Gruß Peter

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