Moin,
altes Holz - ein interessantes Thema !
Ich habe die Erfahrung gemacht, das regelmäßig gespielte Gitarren gut klingen - egal, ob das Holz alt oder neu ist.
Ich hatte die Möglichkeit, ein paar Gitarren des ehemaligen Wolf Maahn-Gitarristen (Axel H.) spielen zu können:
die beiden 69er LesPaul Goldtops klangen derart, das ich sie nicht mal ansatzweise als Kaufoption betrachtet hätte
(sollten für durchaus faire 7.500,- Euro verkauft werden ). Die 67er Strat enttäuschte mich nachhaltig - und eine 64er
ES-345 ließ mich vollkommen kalt...!
Das war alles "altes Holz", regelmäßig gespielt, unverbastelt.
Die Spielbarkeit war in meinen Augen schlecht (Griffbrettradius/Bünde/Halsshaping), bei keiner fühlte sich meine
Greifhand wohl (habe kleine Hände, bevorzuge jedoch kräftige Hälse !).
Seine Martin D-28 aus den 50ern haute mich jedoch derart aus den Socken (kein Neck-reset !), das ich meine geliebte
Lakewood tagelang nicht in die Hand nahm, da Zertrümmerungsgefahr bestand (und die spiele ich seit 20 Jahren
regelmäßig !!).
Allerdings hatte ich mal eine 63er Strat in den Händen, bei der alles derart stimmte, das mir die aktuellen Gitarren
der Firma wie Billig-Plagiate vorkamen (nicht handwerklich sondern klanglich gesehen ! ).
Ich bin überzeugt davon, das wir Gitarristen uns frequenzmäßig an unsere Gitarren gewöhnen - und dies auch bei anderen
Gitarren automatisch suchen...! Haben diese anderen Gitarren das nicht, sagt unser Ohr "nein" dazu.
Wäre ich mit "altem Holz" sozialisiert worden, dann könnten meine Ohren wohl mit den aktuellen Gitarren nix anfangen, da
diese nicht so klingen, wie gewohnt.
Ein Beispiel ist meine 1990 gekaufte Les Paul Standard: damals gab es keinen Custom-Shop, die Gitarren waren zu dem
Zeitpunkt einfach gut verarbeitet, mit den richtigen Zutaten - und mit Gewichtsangaben hätte man sich lächerlich gemacht
Diese wurde über die Jahre optimiert (andere PU`s, originale ABR-1 Rappelbrücke runter und eine Schaller Nashville drauf (nicht rappelnd) Klangregelung umgelötet ) und regelmäßig gespielt: nicht eine einzige Customshop-Paula hat meinen Ohren
bis dato mitgeteilt, das der Sound nicht-paula-like ist, im Gegenteil, sie lassen mich klanglich kalt.
Auch hier vermute ich den frequenzmässigen Gewöhnungsprozeß
Aber auch da gibt es wieder Gegenbeispiele: meine 96er PRS Custom22 ist ein wunderbares Instrument, auch viel gespielt - aber klangliche Entwicklung in meinen Ohren nicht vorhanden, sie klingt wie am ersten Tag. Und genau so geht es mir mit
meiner Vollmassiv-Taylor (312-CE), die ich nur auf der Bühne spiele - da hat sich am Klang seit 18 Jahren auch nix
verändert
Überrascht bin ich nur von meinen Gretsches: diese klingen von Anfang an rund, verändern dieses auch nicht, was ja
auch schwerfällt, da die 6120 laminierte Boden u. Decke hat und die 6128-1957RI einen hohlgefrästen Mahagony-Korpus,
der mit einer laminierten Ahorn-Decke verschlossen ist - da verändert sich holzmäßig überhaupt nix
Fazit: Eine Gitarre mit "altem Holz" kann großartig klingen - muß aber nicht.
Man muß lange suchen, um überzeugendes zu finden (Guitar Point als Beispiel dafür, das auch alte Gitarren richtig
schlecht klingen können
).
Man sollte nur seinen eigenen (!) Ohren und Händen vertrauen - es sei denn, man sucht eine Wertanlage mit dem Ziel,
diese gewinnbringend irgendwann weiterzuverkaufen
Neue Gitarren, mit Bedacht und Wissen gebaut, können klanglich ebenfalls der Gral sein !
Grüße
Rainer