Re: Vorstellung von Guitars made in Israel
Verfasst: Donnerstag 25. Januar 2018, 16:42
So, hier ein paar Worte eines Nutzers und Kenners, den einige hier vielleicht noch kennen. Jörg darf man mit gutem Gewissen als Kenner betrachten - er ist von seiner Tätigkeit im GSN auch von den besten Gitarren der Welt umgeben. Von daher gebe ich das auch an all diejenigen so weiter, die ihn nicht kennen. Auch von anderer Seite habe ich Meinungen bekommen, von wegen das wäre ganz normal und bewusst gemacht bei Kopfplatten mit Fensterköpfen. Man kann ja nicht alles wissen. Bei meiner Maccaferri aus den 50ern ist das ganz genau so. Hab ich aber selbst auch nie darauf geachtet, weil ich meist nur mit den Ohren spiele Aber gut zu wissen
Jörg hat geschrieben:Hallo Martin,
zur B&G Crossroads kann ich noch kein abschließendes Urteil schreiben; ich habe sie erst seit 2 Monaten und habe nur 2 Duogigs mit ihr gespielt, d.h. ich weiß nicht, wie sie live im Rockkontext funktioniert. In den paar Proben, bei der ich sie im Fusionumfeld benutzt habe, war sie sehr lecker, insbesondere bei Carlton/Ford-Stücken.
Die Gitarre ist gezielt auf Vintage-Specs konstruiert, und zwar auf die Specs Anfang der 50iger Jahre. Das führt natürlich zu einigen Anachronismen, wie z.B. nur 20 Bünde, Hals-Korpus-Übergang am 14. Bund, der Single-Action-Trussrod, der schmale Slotted Headstock mit dem starken Winkel nach hinten oder auch die F-Löcher, die zur üblichen Gibsonkonstruktion spiegelverkehrt sind. Das sind alles Dinge, die man äußerst charmant und einzigartig finden kann (ich tue das), oder eben als nicht mehr zeitgemäß…sie tun aber der Funktionalität der Gitarre keinen Abbruch, sondern sind (zumindest meiner armseligen Meinung nach) durchaus mit Gründe für den einzigartigen Sound dieses Instrumentes.
Dieser einzigartige Ton macht (wie die Optik) die Gitarre zum sehr individuellen Instrument, und damit polarisiert sie auch: Es ist meines Erachtens nicht unbedingt eine Gitarre für die Standard-Gibson/Fender-Fraktion, sondern für Leute, die nach einem individuellen Ton suchen und ein Instrument wollen, auf dem sie diesen formen können (und auch müssen: man muss sie schon ein wenig spielen können, sie verzeiht Fehler in der Tonformung nur bedingt – ist halt eine F-Loch-Gitarre). Für mich (und diejenigen anderen Käufer, mit denen ich kommuniziert habe) ist dieser Ton, den man so noch nicht am Markt finden konnte, eine ziemliche Inspirationsquelle, weil "übliches" musikalisches Material, das man schon lange spielt, eben eine andere soundliche Ansprache bekommt (ob diese gut oder schlecht ist, muss jeder individuell bewerten…da gibt es kein objektives "Gut" oder "schlecht").
Die Arie wegen den aufliegenden E-Saiten verwundert mich etwas, da ich eigentlich dachte, dass das bei sogenannten Pre-War-Modellen (also Gitarren vor 1945 und deren heutigen Repliken) relativ normal sein sollte…zumindest habe ich oft alte Martins oder Maccaferris gesehen, bei denen mindestens eine Saite ein bisschen Holzkontakt jenseits des Sattels gehabt hat; bei Flamnecogitarren halte ich es sogar für die Regel. Es gibt auch aktuelle Steelstring-Modelle (vor allem im Hochpreissektor), die diese Bauweise imitieren und bei denen ebenfalls der stark gewinkelte Headstock (und die daraus resultierende Saitenführung mit Holzkontakt) benutzt wird. Ob das jetzt wirklich den von den Herstellern gespriesenen "Vintage-Tone" bringt, weiß ich nicht. Es ist aber keinesfalls eine Fehlkonstruktion, wie fälschlicherweise behauptet wurde…da würden aber viele Hersteller in High-End-Segment von Steelstrings Fehlkonstruktionen bei "Pre-war-Replicas" haben
Ich persönlich nehme diesen Saitenkontakt lieber in Kauf als die "wide-slotted"-Headstocks, wie sie z.B. Lakewood bei Fensterkopfplatten benutzt, denn die finde ich nicht sonderlich schön, da finde ich die von B&G deutlich schöner und auch stimmiger Lackabrieb konnte ich bisher nicht bemerken, ich spiel aber auch Halfrounds auf der Crossroads, um sie noch vintage-artiger zu machen…
Auf jeden Fall ist die Croassroads/Little Sister keine Gitarre, die man im Web beurteilen kann. Sie ist vom Handling und vom Ton imho zu individuell, um sie mit Vergleichen anschaulich beschreiben zu können. Sie ist auf jeden Fall was Tonentfaltung, Attack, Obertöne usw. (also objektiv messbare Kriterien) angeht ein sehr gutes Instrument. Optik, Handling und Eigensound muss man testen, und dann entweder lieben oder hassen, ein dazwischen gibt es glaube ich nicht….