Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

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Motörheiko
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von Motörheiko » Mittwoch 28. Februar 2018, 11:55

Batz Benzer hat geschrieben:Hallo Sven,

ich glaube, dass hier eine Verwechslung von Phänomenen vorliegt.

Aber lass mich mal dort anfangen, wo Du auch stehtst: Vor ein paar Tagen habe ich meine Esche/Ahorn/Tex Mex-PU-Tele mit meiner Erle/Palisander/Stadard-PU-Tele verglichen, indem ich beide aufgenommen und ziemlich dasselbe gespielt habe.

"Auf Band" habe ich dann quasi keinen Unterschied gehört. "Im Raum" war der Unterschied für mich - im wahrsten Sinne des Wortes - klar "greifbar".

Was ist passiert? - Nun, die Teles waren EIN Faktor von seeeehr vielen: Raum, Kabel, Amp, Box, Speaker, Saitenstärke, Spieler, Plectrum, Mikros, Aufstellung im Raum... 'ne Menge Variablen!

Wenn ich jetzt nur eine davon entferne.... tendiert der Unterschied - je nach Variable, zugegeben - von gering über vernachlässigbar bis nicht vorhanden.

Wenn ich mich mit den Gitarren hinsetze und diese selbst spiele, spüre ich zunächst einmal einen Unterschied. Dann kann ich mich darüber hinaus ganz anders auf diese eine Variable einlassen und höre dann den Unterschied zwischen den Gitarren recht deutlich.

Die Frage muss also lauten: Worum geht es Dir? - Willst Du lediglich ein Aufnahmeergebnis? - Oder willst Du die Gitarre erleben, begreifen, verstehen, ausleben...?

Meines Erachtens sind die Unterschiede immer da, aber ob man sie wirklich wahrnimmt oder nicht hängt davon ab, auf welchen Teil des Prozesses - selbst einspielen oder Aufnahme abhören - man sich konzentriert. ;)

Was bleibt? - Die Inspiration und die Leichtigkeit! - Manch ein Instrument inspiriert mich ganz anders als das nächste, und der andere Fakor ist, wie leicht es mir die Klampfe macht.

Lieben Gruß,

Batz.
... die Menge der Variablen - schön auf den Punkt gebracht Batz ...

Ich hätte nur noch eines hinzuzufügen - empirisch habe ich durch stoisches ausprobieren herausgefunden dass bei mir ein paar Gitarren total gut funktioneiren, wenn ich die in meiner Combo live benutze - das sind alle Strats und meine Cabronita Tele...

Alle anderen Gitarren setzen sich nicht so gut durch (Humbucker Gitarren) bzw. sind zu schrill (klassische Tele) ... Wenn in meinen Ampsound anpasse gehts, aber ich komm nicht dahin, wo ich es mit den anderen Gitarren leicht hinbekommen habe. Und ich gehe da lieber den Weg des gerigsten Widerstands ...

Beim Recording wähle ich die Gitarren anders aus und ich weiss es ehrlich gesagt gar nicht, wie ich das tue. Es ist so ein unbewusstes das will ich mit der spielen und übers plugin wird der Sound angepasst bis es tut ... würde mir live nie in den Sinn kommen.

Lange Rede kurzer Sinn - noch ne Variable mehr ... live order recording ...
notasis - Oasis Tribute Band

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Dreamrider
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von Dreamrider » Mittwoch 28. Februar 2018, 12:01

Batz Benzer hat geschrieben:Hallo Sven,

ich glaube, dass hier eine Verwechslung von Phänomenen vorliegt.

.

Die Frage muss also lauten: Worum geht es Dir? - Willst Du lediglich ein Aufnahmeergebnis? - Oder willst Du die Gitarre erleben, begreifen, verstehen, ausleben...?

Meines Erachtens sind die Unterschiede immer da, aber ob man sie wirklich wahrnimmt oder nicht hängt davon ab, auf welchen Teil des Prozesses - selbst einspielen oder Aufnahme abhören - man sich konzentriert. ;)

Was bleibt? - Die Inspiration und die Leichtigkeit! - Manch ein Instrument inspiriert mich ganz anders als das nächste, und der andere Fakor ist, wie leicht es mir die Klampfe macht.

Lieben Gruß,

Batz.
Da gebe ich Dir völlig recht, Batz. Eine Gitarre kann mehr inspirieren, als die andere, auch wenn sie fast identisch klingt. Ich glaube auch, das genau hier das Phänomen und auch das Problem dieser Diskussion liegt: "Gefühlter/Gespürter Klang und "Klangergebnis". Man sollte beides auseinander halten können und eben nicht miteinander verwechseln. Zumindest bei mir im Studio gelten eben "die harten Fakten" und das, was da vom "Band" nach der Aufnahme kommt.

Grüße
Sven :prost:
Zuletzt geändert von Dreamrider am Mittwoch 28. Februar 2018, 12:31, insgesamt 1-mal geändert.
"Singe, wem Gesang gegeben, wer's nicht kann, soll einen heben"... Heinz Erhardt

Stratspieler

Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von Stratspieler » Mittwoch 28. Februar 2018, 12:02

Pommes Spezial hat geschrieben:Was mich gewundert hat, war das Abkopfen des Korpus auf die Resonanztonhöhe.
Hat das irgend einen realen Hintergrund oder war das heiliges Wasser?...Wie seht ihr das?...
Vor Jahren habe ich meine MIM Classic 60 Stratocaster auseinandergenommen; ich wollte ihr spaßenshalber einen farblich anderen Korpus verpassen. Der Originalkorpus ist aus fünf Teilen zusammengesetzt, seinerzeit war er noch mit deinem deckenden PU-Panzer in CAR versehen. Der neue Korpus war aus zweien zusammengesetzt und "oberamtlich hauchdünn mit Nitro lackiert" - das aber nur nebenbei.

Als ich beide Korpi hernahm, beklopfte ich sie - einfach mal so. Ich weiß es nicht mehr genau, wie welcher Body klang, auch ist es sehr schwer (!!!), das verbal zu beschreiben. Der eine Korpus jedenfalls klang wie ein "Tock, tock, tock", ein ganz knochentrockener Ton. Der andere Korpus klang und es hörte sich an wie ein nachklingendes "Tang, tang, tang", wenn man ihn mit dem Knöchel beklopfte.

OK, den neuen Korpus an dieselbe Hardware geschraubt, einschließlich der Saiten und die Strat klang ganz anders. Ihr Ton war dünner, höhenlastiger. Das hat mir nicht gefallen und ich habe wieder auf den alten Korpus zurückgebaut - und der gewohnte und angenehmere, fettere Klang war wieder da.

Mintage
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von Mintage » Mittwoch 28. Februar 2018, 12:12

Moin,

zum Thema "Klopfen":

ich habe lange Jahre an der Seite eines "Zupfinstrumentenmacher-Meisters" (so die genau Bezeichnung auf dem Meisterbrief)
gearbeitet. Daher kenne ich dieses "Abklopfen" der Hölzer - vor allem wurde das jedoch bei Decken und Böden von
Acoustic-Gitarren gemacht. Bei den Zutaten für eine E-Gitarre kam das bei Hals u. Korpus-Hölzern auch vor - aber es
ging eigentlich immer nur um eines: die Hölzer sollten überzeugend resonieren ! D.h. ein lebloses "Tock" wurde als Holz
nicht in Erwägung gezogen - ein nachhaltiges "Klöng" wurde genommen...!
Zu wissen, wie vorher (!) abgeklopftes Holz nachher (!) klingt, habe ich diesen Meister nie behaupten hören !

Jörg Tandler lernte ich fast parallel in dieser Zeit kennen - und der machte das auch. Bei ihm ging es vor allem um die
Ansprache des Instruments - aber an eine Klang-Vorhersage kann ich mich auch bei ihm nicht erinnern (diese ist ja vor allem
durch die Art der verwendeten Hölzer, der Konstruktion und der Hardware/Pickups fast schon vorgegeben...!).

Grüße
Rainer

Stratspieler

Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von Stratspieler » Mittwoch 28. Februar 2018, 13:44

Mintage hat geschrieben:...Zu wissen, wie vorher (!) abgeklopftes Holz nachher (!) klingt, habe ich diesen Meister nie behaupten hören !

Jörg Tandler lernte ich fast parallel in dieser Zeit kennen - und der machte das auch. Bei ihm ging es vor allem um die
Ansprache des Instruments - aber an eine Klang-Vorhersage kann ich mich auch bei ihm nicht erinnern ...
Was m.E.n. korrekt ist: Wenn jemand weiß, dass

a) eine bestimmte Holzkombination klanglich in eine grobe Richtung tendieren kann und
b) jedoch erst der Gesamtkontext des Instrumentes hervorbringt, und das kommt wirklich erst dann, wenn das Instrument spielbereit ist, wie es klingen wird und
c) das bei jedem Instrument anders ist

dann hat dieser Jemand die langjährige Erfahrung und wird nichts vorher dazu sagen.
Zuletzt geändert von Stratspieler am Mittwoch 28. Februar 2018, 13:47, insgesamt 1-mal geändert.

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tommy
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von tommy » Mittwoch 28. Februar 2018, 13:47

Als Gitarrenbauer würde ich mir, glaube ich, eine Datenbank über sämtliche Faktoren wie Materialbeschaffenheit, Bauform, Hardware etc. und deren Zusammenspiel in Bezug auf Klangergebnisse anlegen.

D.h., ich würde bei fertigen E- Gitarren die Einzelteile analysieren und entsprechende Rückschlüsse ziehen.

Mir wäre wohl klar, dass die Holzresonanz eine untergeordnetere Bedeutung hätte als Tonabnehmer, Bauform und Steg.
Trotzdem ist sie halt ein (wenn auch geringerer) Bestandteil des Gesamtergebnisses im Sinne von Mickys Ausführungen. So zumindest mein Empfinden.

Beim Abhören von Studioaufnahmen kann ich mir gut vorstellen, dass die Auswirkung der Holzresonanz relativ bedeutungslos ist. In dieser Abhörsituation kann ich teilweise noch nicht einmal eine Les Paul von einer Tele unterscheiden. :D
LG, Tommy


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partscaster
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von partscaster » Mittwoch 28. Februar 2018, 17:22

Also ich hatte schon den selben Hals, dasselbe Pickguard und dasselbe Vibrato an verschiedenen Bodys aus unterschiedlichen Hölzern. Klanglich unterschied sich das nur marginal. Aber Sustain und Ansprache ("Schnelligkeit") änderten sich deutlich. An einem recht schweren Body mit sehr dickem Lack waren an verschiedenen Punkten auf dem Griffbrett Dead Spots auszumachen. Dieser hatte auch null "Ton" beim klopfen. Beim sehr resonanten Korina-Body dagegen klangen alle Töne sauber und gleichmäßig aus und es "federte" mehr beim Spielen.
Eventuell geht es gar nicht (ausschließlich) um den Klang. Das passt auch zu dem was Rainer (Mintage) schreibt.

Grüße
Michael

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uwich
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von uwich » Mittwoch 28. Februar 2018, 17:42

Wir sollten immer berücksichtigen, dass wir alle mit dem Gehirn hören. Der Schall, die Schallübertragung, die Signalkette: die Physik vor dem Hören, die den Schall erzeugt - das ist alles nicht so wichtig wie die Verarbeitung der Signale des Innenohres im Großhirn. Da kommen dann noch Dinge wie Gedächnis, Gefühle, Wachheitszustand, Hormonhaushalt dazu und dann wird der Ton (die Musik) wahrgenommen. Ebenso wie optische Tricks, die wir alle kennen, gibt es auch akustische Tricks und Fallstricke und im entsprechenden Zustand hören wir aus einer Tuba plötzlich eine Geige. Alles möglich. Es ist eben nicht Physik, es ist Psychologie.

Deshalb wird Musik auch immer subjektiv empfunden. Auch wenn Instrument, Verstärker, Box und Speaker sowie Raumgröße gleich sind. Unser Gehirn macht dann immer eine individuelle Wahrheit daraus und die ändert sich stetig. Deshalb kann man auch immer so trefflich diskutieren und sich ereifern. Deshalb gibt es so ein Forum wie hier.

Und deshalb kann eine geliebte Gitarre, die andere als Schrott empfinden, für jemanden, der dieses Instrument liebt und viele positive Emotionen damit verbindet, das tollste Instrument der Welt sein. Das Gehör ist schlichtweg nicht objektivierbar.
Musikarbeiter

THB
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von THB » Mittwoch 28. Februar 2018, 18:08

uwich hat geschrieben:Wir sollten immer berücksichtigen, dass wir alle mit dem Gehirn hören. Der Schall, die Schallübertragung, die Signalkette: die Physik vor dem Hören, die den Schall erzeugt - das ist alles nicht so wichtig wie die Verarbeitung der Signale des Innenohres im Großhirn. Da kommen dann noch Dinge wie Gedächnis, Gefühle, Wachheitszustand, Hormonhaushalt dazu und dann wird der Ton (die Musik) wahrgenommen. Ebenso wie optische Tricks, die wir alle kennen, gibt es auch akustische Tricks und Fallstricke und im entsprechenden Zustand hören wir aus einer Tuba plötzlich eine Geige. Alles möglich. Es ist eben nicht Physik, es ist Psychologie.

Deshalb wird Musik auch immer subjektiv empfunden. Auch wenn Instrument, Verstärker, Box und Speaker sowie Raumgröße gleich sind. Unser Gehirn macht dann immer eine individuelle Wahrheit daraus und die ändert sich stetig. Deshalb kann man auch immer so trefflich diskutieren und sich ereifern. Deshalb gibt es so ein Forum wie hier.

Und deshalb kann eine geliebte Gitarre, die andere als Schrott empfinden, für jemanden, der dieses Instrument liebt und viele positive Emotionen damit verbindet, das tollste Instrument der Welt sein. Das Gehör ist schlichtweg nicht objektivierbar.
Sehr gut. Hier in Länge zitiert, denn das ruhig zweimal gelesen werden!

Für mich kommt noch hinzu, was die oben beschriebene Psychologie dann in der Interaktion mit dem Spieler macht....
"Let me explain something about guitar playing.
Everyone's got their own character.
Everyone's approach to what can come out of six strings is different from another person, but it's all valid. "
Jimmy Page

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setneck
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Re: Die Entstehung einer E-Gitarre in Bild und Ton

Beitrag von setneck » Mittwoch 28. Februar 2018, 20:36

uwich hat geschrieben:Wir sollten immer berücksichtigen, dass wir alle mit dem Gehirn hören. Der Schall, die Schallübertragung, die Signalkette: die Physik vor dem Hören, die den Schall erzeugt - das ist alles nicht so wichtig wie die Verarbeitung der Signale des Innenohres im Großhirn. Da kommen dann noch Dinge wie Gedächnis, Gefühle, Wachheitszustand, Hormonhaushalt dazu und dann wird der Ton (die Musik) wahrgenommen. Ebenso wie optische Tricks, die wir alle kennen, gibt es auch akustische Tricks und Fallstricke und im entsprechenden Zustand hören wir aus einer Tuba plötzlich eine Geige. Alles möglich. Es ist eben nicht Physik, es ist Psychologie.

Deshalb wird Musik auch immer subjektiv empfunden. Auch wenn Instrument, Verstärker, Box und Speaker sowie Raumgröße gleich sind. Unser Gehirn macht dann immer eine individuelle Wahrheit daraus und die ändert sich stetig. Deshalb kann man auch immer so trefflich diskutieren und sich ereifern. Deshalb gibt es so ein Forum wie hier.

Und deshalb kann eine geliebte Gitarre, die andere als Schrott empfinden, für jemanden, der dieses Instrument liebt und viele positive Emotionen damit verbindet, das tollste Instrument der Welt sein. Das Gehör ist schlichtweg nicht objektivierbar.
Absolut! Das sollte sich jeder immer wieder ins Gedächtnis rufen! :thumbs:
Bei aller Messbarkeit, Beweisbarkeit, Naturgesetzmäßigkeit...
Schöne Jrööss,
Thomas

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