Ibanez DS10 Distortion Charger

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Batz Benzer
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Ibanez DS10 Distortion Charger

Beitrag von Batz Benzer » Dienstag 21. Oktober 2014, 23:03

Ihr kennt das: Je länger man aufs Telefon starrt, desto weniger klingelt es. Und man ist immer dann am besten, wenn es einem eigentlich egal ist. Tja, den Distortion Charger aus Ibanez’ 10er-Reihe wollte ich ärgerlicherweise schon seit länglicherem relativ dringend mein Eigen nennen, und so kam es natürlich, dass sich eben dieser Zerrer der 80er laaaaange meinem Zugriff entzog; sei es einmal durch unverschämt hohe Preisgestaltung oder widrige Umstände (Abwesenheit bei Auktionsende, PC stürzt ab, eBay will noch eine Sicherheitsfrage vorm Gebot, etc.).

Und jetzt isses endlich so weit: Nein, es ist nicht das preiswerteste Exemplar, welches ich bislang gesehen habe und: Nein, es ist auch nicht ansatzweise perfekt erhalten. Andererseits war der Preis gerade noch so zu vertreten, und der Zustand ist technisch sogar 100% (selten bei der 10er Reihe, ich sach nur: Fußschalter!), optisch alles okay soweit, wie ich finde; immerhin bald 25 Jahre alt, das gute Stück!

Was hat es, was kann es? – Das bewährte Ibanez/Maxon-Gehäuse der 80s, Distortion (Gain), Level, Low, High, Enhance, einem Input, einem Output sowie einem zweiten, der auch in „ausgeschalteten“ Effektzustand den Enhance-Teil beisteuert; dieser ist eine Art Exciter und bereichert das Klangbild mit angenehmer Frische und Transparenz.

Also eher ein giftiges Pedal? – Höhen sind in der Tat mehr als ausreichend vorhanden, können aber entsprechend dosiert werden. Ist der Bassregler voll aufgedreht, ist aber selbst für Single Coils ausreichend Fundament da, ohne das es matschen würde, im Gegenteil: Der Bassbereich ist herrlich transparent, die Verzerrung hübsch dynamisch; harmonische Rock- bis HardRock-Distortion, wie sie im Buche steht!

Alles an diesem Teil schreit „1985“, wie jemand zu Recht auf Harmony Central schrob: Das ganze Zerrverhalten fühlt genau an „wie damals“, David Lee Roth und hochtourpierte Haare lassen grüßen! – Die Verzerrung ist dabei im Bass tight, im Diskant luftig und beileibe nicht so „chunky“ wie man es heute mag, Pinch Harmonics klappen prima, und irgendwie tönt das Pedal alles andere als künstlich: Ein echter Geheimtipp!

Mit dem Höhenregler sowie Enhance lässt sich das Höhenbild fein abstimmen; beide Regler sollten jedoch die 9h-Position nur in Ausnahmefällen überschreiten (für Single Coils; für Humbucker ist jeweils 12h eine gute Ausgangsposition). Ansonsten ist drin was draufsteht: Distortion, nicht zu gain-reich, auch hier ein Kind seiner Zeit, der Distortion, der Charger. Angeblich klanglich verwandt mit dem SD-9, Sonic Distortion, aus gleichem Hause; kann ich leider nicht beurteilen, hab (noch) keine Vergleichsmöglichkeit.

Was ich beurteilen kann, ist, dass die Textur, die Struktur der Verzerrung, eine ist, wie man sie heuer kaum mehr zu Gehör kriegt: Obgleich eindeutig Distortion, addiert sich mit der Zerre kaum Sustain, Einzeltöne wie Akkorde klingen quasi sofort (und dies dann in normaler Länge, gleichmäßig und ohne das bekannte „dreckige Wegbrechen“ der Verzerrung) aus; nix Violin-Effekt. Das ist z.B. perfekt für Southern Rock oder auch Äißieh Diehßieh, weil es kraftvoll und saftig, gleichzeitig aber eben retro tönt. Der Hals-PU meiner Strat z.B. hat alle Singe-Frequenzen, ohne ellenlang komprimiert zu singen; es bleibt stets dynamisch. Wenn ich eine Assoziation äußern dürfte, sollte oder müsste, wäre ich am ehesten an Majors BAP-Sound der Achtziger erinnert; „ne schöne Jrooß“!

Bislang hatte ich die Strat im Anschlag, jetzt muß die Paula ran. Und siehe da: Solange die Höhen nicht zu hoch sind und mit Enhance nicht gegeizt wird, kann selbst mein kleiner Marshall Class 5 groß und gefährlich loskläffen; spätestens bei dieser Art „Honighupen“ gibt der Exciter Sinn, nicht bloß verzerrt.

Apropos: An Output B liegt auch ohne Zerre das enhancte Signal an: Gibt z.B. dem Clean-Sound warmen Punch und Transparenz dazu, sehr lecker, wenn maßvoll verwendet. So ließe sich z.B. unter Verwendung einer passiven AB-Box (beide DS10-Signale in A und B) zwischen Enhancer Clean An/Aus hin- und herschalten – praxisdienliche Möglichkeiten bietet das gute Stück, meine Herren!

Hierzu addiert sich der kultivierte Umgang des Chargers mit dem Volumen-Poti der Gitarre: Extrem feinfühlig und „nah dran am Amp“ kommt das, besser als manche Boutique oder gar der ein oder andere Zerstärker es kann.

Fazit: Zu Recht eines der gesuchteren Pedale aus dem Schaffen des Professor Doktor Ibanez, sehr schön für den kultivierten und natürlichen (getunten!) Marshall-Röhren-Stack-Ton der 80er Jahre.
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Batz Benzer
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Re: Ibanez DS10 Distortion Charger

Beitrag von Batz Benzer » Sonntag 20. Oktober 2019, 20:28

Ha, das ist ja witzig: Da wollte ich doch nur mal googeln, was sich mittlerweile zum Thema DS-10 im Netz findet, da stolpere ich als erstes über meine eigene Rezension! :lol:

Anlass für die Suche ist mein derzeitiger Pedale-Shootout, und der Distortion Charger hat soeben mal wieder bewiesen, dass er in Sachen Distortion immer noch die absolute Nummer 1 ist!

Ja Moment, was ist denn dann mit dem KoT/SoT? - Das ist unangefochten das beste All-In-One-Pedal. Aber wenn es nur um Distortion, und dann auch noch um drückende, heiße, scharfe, federnde, transparente geht, die links (also mit Strat) wie rechts (mit der dicken Paula) kann, macht dem DS-10 nach wie vor nichts und niemand was vor!

Und wie schön, dass der Markt das nicht zu schätzen weiß; obgleich 10er Serie aus den 80ern gibt es das Pedal so um 60€ rum hienieden... wenn man es denn überhaupt mal zu Gesicht bekommt. Viel scheinen sich damals jedenfalls nicht verkauft zu haben; den bräsigen Metal Charger hingegen hatten wohl irgendwie alle... ich auch... :tuete01: :mrgreen:

Also: Wer solch ein Ding findet: Kaufen! Und bei Nichtgefallen nehme ich es ihm gerne ab; ein zweites Exemplar wäre jedenfalls kein Fehler auf lange Sicht. ;)

Lieben Gruß,

Batz.
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Paulasyl
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Re: Ibanez DS10 Distortion Charger

Beitrag von Paulasyl » Montag 21. Oktober 2019, 21:16

Gab es da nicht noch einen anderen "Charger"?

Genau: den "Metal Charger MS10" - Da freut es mich um so mehr, dass Du den Bruder magst, denn das Ding habe ich nach wenigen Stunden (günstig per Kleinanzeige geschnappt) bereits wieder verhökert (Nahezu verlustfrei per Kleinanzeige). Ein komplett unnützes und sehr, sehr schreckliches Pedal, das sogar noch um Längen hinter ein Schaller Distortion aus den 70ern zurückfällt. Damit konnte man wenigstens russisches Radio empfangen...Ich bin trotzdem immer noch ein Fan der 10er Serie, halte den TS10 für underrated (wenn auch inzwischen overprized, das sorgt aber bei dem Weibe für Aha, wenn ich die Gebrauchtpreise für eben dieses Pedal als Argument ins Feld führe) und nutze sogar ab und zu noch den SC10.
Mein Körper besteht zu 65% aus Müdigkeit, der Rest ist Hunger.

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