Der gewisse Dreh

Selbst ist der Gitarrist: Reparieren, Pimpen, Customizen, Eigenbauten
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Batz Benzer
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Der gewisse Dreh

Beitrag von Batz Benzer » Samstag 11. Januar 2020, 15:55

Moin!

Ich hatte heute Zeit und darüber hinaus die Fragestellung, wie sich das denn mit der Halsbefestigung verhält: Mäggy hatte ja diverse Male davon berichtet, dass das Losedrehen der Schrauben um ca. 1/8-Drehung laut diverser Personen positive Klangauswirkung haben soll.

Ich habe vier Schraubhalsgitarren hier und es einfach mal ausprobiert! 8-)

Meine Erfahrung und die daraus abgeleitete Schlussfolgerungen:

Ja, ich kann tatsächlich einen nicht unbeträchtlichen Unterschied ausmachen, der teilweise akusitscher, aber auch haptischer Natur ist.

Dreht man den Hals knüppelfest, ist die Tonentfaltung direkter und knalliger, es wird lauter, mittiger, reaktiver und das Sustain wird maximiert. Das Spielgefühl erfolgt unmittelbar, das Plectrum hängt "hart am Gas".

Lässt man dem Hals ein wenig Spiel, wird der Ton vintage-mäßiger, süßlicher, ausgehöhlter, sanfter, abgehangener und perkussiver. Das Spielgefühl wird indirekter, als ob die Saiten nachgiebiger, gummiartiger wären.

Das sind natürlich jeweils nur Tendenzen, aber klar hör- wie fühlbar; hier lässt sich je nach Bedarf Einfluss nehmen auf das Gesamtergebnis.

Mittige Gitarre? - Schrauben minmal lösen. - Gitarre geht im Mix unter? - Schrauben anziehen!

Das war's auch schon wieder; Experiment abgeschlossen, Lehre gezogen: Meine Hälse bleiben ob des Spielgefühls lieber ohne Spielraum. :thumbs:

Und wie seht, hört und fühlt Ihr das...? ;)

Lieben Gruß,

Batz.
"Lennon was the soul of the Beatles, Harrison was the spirit, Paul was the heart, and Ringo was the drummer."

- George Martin

Duke

Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von Duke » Samstag 11. Januar 2020, 17:55

Interessantes Thema.

Kann mich erinnern, dass ich das mal bei einer Strat hatte. Weiß gar nicht mehr warum die Schrauben locker waren. Glaube das war nach einem Aging, bei dem der Hals abgenommen wurde.
Irgendwie kam mir die Gitarre danach komisch vor. Das mit der indirekteren Ansprache traf es, wenn ich mich richtig erinnere.

Nach kurzer Diskussion und folgendem, harten Anziehen der Schrauben im Laden, war dann wieder alles in Ordnung.

Ob das anders geklungen hat, kann ich gar nicht mehr sagen. Das Spielgefühl ging für mich aber gar nicht. :kopf_kratz01:

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Batz Benzer
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Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von Batz Benzer » Samstag 11. Januar 2020, 18:05

Danke für Deinen Input, Uwe; sehr spannend! :thumbsup03:
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tommy
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Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von tommy » Samstag 11. Januar 2020, 19:58

Ich zitiere mich mal selbst aus dem Tele Liebhaber Thread:

"Irgendwann stellte ich fest, dass die Tele merkwürdig verhalten tönte. Ihr fehlte es etwas an Durchsetzungsfähigkeit. Wann dieses Verhalten konkret auftrat kann ich gar nicht mit Bestimmtheit sagen. Sie wurde von mir sehr wenig benutzt. Es war mehr so ein subjektives Gefühl, dass, im Gegensatz zur Zeit des Erwerbs, irgendwas nicht mehr stimmte.
Letztlich entschloss ich mich am Neujahrstag, sie mir mal richtig vorzunehmen.
Zuerst verglich ich sie trocken mit meiner geliebten Couchgitarre (Squier '51). Wow, die Tele war wesentlich leiser, dumpfer und deutlich weniger resonant. An den Saiten konnte es nicht liegen. Sie waren so gut wie unbenutzt. Mir fiel aber in der jetzt sehr ruhigen Umgebung an mehreren Saiten ein "Pling" beim Stimmen auf. Der Gitarrenbauer (Robin König) hatte es wohl beim Sattelfeilen sehr genau mit den 0.09ern genommen.
Also habe ich als 1. Amtshandlung die Sattelkerben etwas nachgearbeitet.
Desweiteren fiel mir auf, dass die Schrauben des Halses, des Steges sowie die der Mechaniken ziemlich lose waren (alle genannten Verschraubungen waren relativ neu. Inzwischen haben sich die Teile offensichtlich gesetzt), was ich korrigierte.
Den Steg Pu setzte ich wieder runter in seine alte Position. Dafür schraubte ich nach der Entnahme des Schlagbretts den Hals PU tiefer.

Was soll ich sagen! Sie war jetzt genau so laut wie die Couchgitarre, wunderbar "snappy" und resonierte spürbar lebhafter. Kein Voodoo sondern eindeutig erlebbar!
Auch am Amp war sie jetzt mit den letztgenannten Attributen wieder voll da!

Da kann man mal sehen, wie wichtig eine gute Wartung ist. Gerade das zeitversetzte Nachkontrollieren nach "Bastelarbeiten" ist immens wichig! Ähnlich eines Zylinderkopfes (ohne Dehnschrauben) älterer Fahrzeuge."

:prost:
LG, Tommy


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Wizard
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Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von Wizard » Samstag 11. Januar 2020, 21:10

Bei fest angezogenen Schrauben der Hals/Body Verbindung kommt dann halt mehr der Body ins Spiel und fügt dem Klang des Halses
ein evtl. weiteres anderes Holz hinzu, welches natürlich in das Geschehen eingreift.

Einige hier meinen ja, dass der Klang fast ausschließlich am Hals entsteht bzw. geformt wird. Das seh ich nur teilweise so.
Gruß Peter

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Magman
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Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von Magman » Sonntag 12. Januar 2020, 00:23

Batz Benzer hat geschrieben:
Samstag 11. Januar 2020, 15:55
Moin!

Ich hatte heute Zeit und darüber hinaus die Fragestellung, wie sich das denn mit der Halsbefestigung verhält: Mäggy hatte ja diverse Male davon berichtet, dass das Losedrehen der Schrauben um ca. 1/8-Drehung laut diverser Personen positive Klangauswirkung haben soll.

Lieben Gruß,

Batz.
Ja es ist schon ne gute Zeit her, als mir der Jörg Tandler das erklärte und an meiner eigenen Mintage 54 vorführte. Ich hätte das nicht erwartet, dass es so viel ausmacht. Man kann es tatsächlich hören und auch fühlen. Eine wirklich gute Gitarre vorausgesetzt. Tote Frettchen bleiben tot! „Festgeknallte“ Hals-Schrauben sind definitiv nicht optimal für die Tonübertragung Hals-Korpus. Danach erklärte und zeigte er mir noch was es ausmacht das Tremolo gaaaaanz leicht schwebend einzustellen. Das waren u.a. die spannendsten und gleichzeitig lehrreichsten Erfahrungen für mich von einem erfahrenen Meister. Konnte damit schon einige fast tote Strats zumindest wieder ein bisschen zum Leben erwecken. Es geht tatsächlich und ist kein Voodoo ;) Bei der Blugocaster gerade wieder erlebt. Auch da waren die Schrauben auch viel zu fest angezogen und das Tremolo lag auch fest auf. Irre was die Strat danach an Tone gewann und auch gleichzeitig an Sustain. Die ist richtig gut geworden jetzt.
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Magman
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Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von Magman » Sonntag 12. Januar 2020, 00:40

Wizard hat geschrieben:
Samstag 11. Januar 2020, 21:10

Einige hier meinen ja, dass der Klang fast ausschließlich am Hals entsteht bzw. geformt wird. Das seh ich nur teilweise so.
Peter selbstverständlich ist beides im Verbund wichtig. Aber der Tone einer Gitarre entsteht tatsächlich im Hals. Je besser der Hals, um so besser der Tone, bzw die Gitarre. Ich habe um die 300 Gitarren zusammengeschraubt. Vielleicht waren es auch weniger oder mehr. Sogenannte gevögelte Necks waren vom Ton her eigentlich nie die Besten. Das waren meist die, die eigentlich unspektakulär waren. Oftmals wechselte ich 4x den Hals an einer Strat und hatte 4 verschiedene Charaktere. Manchmal nur marginal, manchmal verdammt deutlich hörbar, bereits trocken angespielt. Deshalb weiß ich selbst - aus eigener Erfahrung, das der Hals den wohl größten Teil am Tone einer Gitarre ausmacht.
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Batz Benzer
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Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von Batz Benzer » Sonntag 12. Januar 2020, 00:53

Magman hat geschrieben:
Sonntag 12. Januar 2020, 00:40
Wizard hat geschrieben:
Samstag 11. Januar 2020, 21:10

Einige hier meinen ja, dass der Klang fast ausschließlich am Hals entsteht bzw. geformt wird. Das seh ich nur teilweise so.
Peter selbstverständlich ist beides im Verbund wichtig. Aber der Tone einer Gitarre entsteht tatsächlich im Hals. Je besser der Hals, um so besser der Tone, bzw die Gitarre. Ich habe um die 300 Gitarren zusammengeschraubt. Vielleicht waren es auch weniger oder mehr. Sogenannte gevögelte Necks waren vom Ton her eigentlich nie die Besten. Das waren meist die, die eigentlich unspektakulär waren. Oftmals wechselte ich 4x den Hals an einer Strat und hatte 4 verschiedene Charaktere. Manchmal nur marginal, manchmal verdammt deutlich hörbar, bereits trocken angespielt. Deshalb weiß ich selbst - aus eigener Erfahrung, das der Hals den wohl größten Teil am Tone einer Gitarre ausmacht.
+10 :thumbsup03:
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Duke

Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von Duke » Sonntag 12. Januar 2020, 09:38

Würde mich mal interessieren, ob man die Unterschiede auf einem YouTube-Video hören kann. :prost:

Glaube das ehrlich gesagt eher nicht, obwohl die Unterschiede spürbar / vorhanden sind (gilt für Seitenreiter, unterschiedliche Bodies, Tremolo-Einstellung etc.).

THB
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Re: Der gewisse Dreh

Beitrag von THB » Sonntag 12. Januar 2020, 11:50

Duke hat geschrieben:
Sonntag 12. Januar 2020, 09:38
Würde mich mal interessieren, ob man die Unterschiede auf einem YouTube-Video hören kann. :prost:

Glaube das ehrlich gesagt eher nicht, obwohl die Unterschiede spürbar / vorhanden sind (gilt für Seitenreiter, unterschiedliche Bodies, Tremolo-Einstellung etc.).
Dem stimme ich fast zu - ähnlich dem "der Ton kommt aus den Fingern" - oder "viel besser: der Ton entsteht im Kopf" (was ich für ein eher korrektes Statement halte).

Ich denke, es ist die Interaktion zwischen den vielen Kompontenten eines Instrumentes (Klang, Haptik, Response, Look....) und demjenigen der das Instrument spielt.... siehe oben...

Ich hatte das Privileg, über Jahrzehnte hinweg einige "Ikonen" der Rockmusik anspielen zu dürfen... der "Haben wollen Effekt" stellte sich bei keiner einzigen ein. Bei meiner "Heritage Les Paul" war der erste Ton die Erkenntnis "das ist meine" und der zweite Gedanken woher die Kohle, ? Es ist immer noch meine (derzeit wenig gespielt), obwohl sie mit 4998 DM teurer als mein damaliges Auto war (ich bin quasi Außerndienstler und auf jenes als essentielles Arbeitsmittel angewiesen)... gleiches passierte BTW auch mit der ersten Slick SL 60....

Soweit meine (Selbst-)Erkenntnis... --- edit: aber vielleicht ist bei mir eine Schraube locker?
"Let me explain something about guitar playing.
Everyone's got their own character.
Everyone's approach to what can come out of six strings is different from another person, but it's all valid. "
Jimmy Page

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